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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 14 (2. Aprilheft 1916)
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"Militarismus", [1]
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Avenarius, Ferdinand: Abschied vom zweierlei Tuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0088

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bunden, und darum besteht auch kein Widerspruch, wenn der Schlutz
unseres Ausruses darauf Bezug nimmt, daß wir uns fühlen als die Erben
eines Goethe, eines Beethoven und eines Kant."

Damit hatte denn der Münchener Volkswirtschafter dem älteren Sprach-
gebrauch sein Recht gelassen und einem neueren auch das seinige ein»
geräumt. ^ (Schluß solgt.)

Abschied vom zweierlei Tuch

Man schreibt uns:

^Mfv^enn ich ein MLdchen wär, müßt ich jetzt furchtbar heulen. — Was
^/v^war das doch für ein herzerquickender Anblick, wenn bei einer
feierlichen Parade die bunte Mauer dastand oder die durch die
Massenentfaltung gesteigerte Farbenwirkung der Aniform durch Be-
wegung und Rhythmus beim Stechschritt der Kolonnen noch erhöht wurde.
Am prächtigsten aber war gewiß das Bild, wenn ein Herrscher oder hoher
Truppenführer mit seinem, den verschiedenen Waffengattungen und Forma-
tionen angehörenden Gesolge im kurzen Paradegalopp dahergeritten kam,
und der ganze Regenbogen mit den tausendfältigen Glanzlichtern von
Gold und Silber abwechselte.

Dies soll nun mit einemmal der Vergangenheit angehören; ein einziger
Federstrich hat vor kurzer Zeit Farbe und Glanz beseitigt und für die Zu-
kunft alles nur „grau in grau" festgelegt.

Gewiß, auch die „feldgraue^ Uniform hat ihren eigenen Reiz, namentlich
solange sie neu ist und solange auch wir uns noch nicht an ihr satt gesehen
haben. Im Krieg ist sie selbstverständlich die einzig berechtigte. Man hat
zwar durch Versuche sestgestellt, daß auch die pointillistische Nebeneinander-
stellung der verschiedensten Farbenflecken auf die Entfernung eine gegen-
seitige Paralysierung und Neutralisierung bewirkt, aber für die Nähe —
und unsere Schützengräben sind an mehr als einer Stelle den feindlichen
nur 25 bis 50 Schritte gegenüber — hilft uns das alte optische Gesetz der
wechselseitigen Aufhebung komplementärer Farben nichts. Da muß jede
lebhafte Farbe und jeder glänzende Knopf, der uns auf wenige Meter ver-
raten könnte, verschwinden. Deshalb wurden zum Beispiel die farbigen
Besatzstreifen an den Mützen sür das Schützengrabengefecht durch graue
Bänder verdeckt, und an die Stelle der roten Abzeichen auf den Helmüber-
zügen sind grüne getreten. Im Kriege gibt es eben nur die eine Forde-
rung, es den Mimikry-Insekten vollständig gleichzutun und selbst die ge-
ringsten Einzelheiten, die in der umgebenden Erdscholle oder im Waldes-
dickicht bemerkt werden könnten, zu verbannen.

Wir sind heute viel zu sehr — selbst im Kunsthandwerk — an den be-
herrschenden Zweckmäßigkeits-Gedanken gewöhnt, als daß wir die jüngste
deutsche Kleiderordnung nicht vollauf verstünden und — wenigstens für
die gegenwärtigen Verhältnisse — vorbehaltlos billigten, was bekanntlich
bei den zahlreichen spätmittelalterlichen Kleiderordnungen des heiligen
römischen Reiches, die sich allerdings mehr an das schönere Geschlecht
wandten, nur in recht bescheidener Weise der Fall war.

Aber die neueste Verordnung geht über die jetzt zu treffenden Voraus-
setzungen sehr wesentlich hinaus und will auch für die nachfolgende Frie-
denszeit vom „zweierlei Tuch" nichts mehr wissen. Auch im Frieden
soll mit Ausnahme der schmalen farbigen Krägen, Vorstöße, Armelaufschläge

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