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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 17 (1. Juniheft 1916)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0266

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und nicht nur unter den „Hyphen--
Americans" mit „German" vor dem
Bindestrich. Soweit sie nicht durch
die deutschfeindliche Agitation und
durch Zwischenfälle wie den Unter-
gang der Lusitania ganz taub für
natürliche Gefühle geworden sind,
spüren sie dunkel, daß in der ame--
rikanischen Ausfassung etwas nicht
stimmt, und ihr heller Verstand kann
sich zudem der alten Iuristenfrage
„wem zu Nutz?" nicht enthalten.
Dazu kommt, daß ein Volksdenken,
in dem das „biggest" und „strongest"
eine so stolze Bedeutung hat, nicht
so leicht davon abzubringen ist, daß
ihm mindestens das Kraftvolle
des deutschen Widerstandes impo-
niert. Im geschriebenen und ge-
druckten Worte jedoch kommt das
Durcheinander der Stimmungen
drüben nicht bezeichnend zum Aus-
druck. Das geschriebene Wort muß
ja ernsthaft erscheinen, da gilt kein
„ich meine nur so", es hat etwas
vom Bekenntnis, von dem, worauf
man „festnageln" kann, — und „fest-
nageln" will sich der Unentschlossene,
der Schwankende, der Fürsichtige
eben nicht lassen. Anders bei der
Karikatur. Witze macht man un-
überlegt. Das Scherzbild ist zu-
nächst ein Spaß, und ein Spaß ver-
pflichtet nicht. Wer die „Imponde-
rabilien" in einem Volksgeiste ken-
nen lernen will, darf deshalb nicht
an seinen Karikaturen vorübergehn.
Lin Spaziergang an hundert ame-
rikanischen Witzbildern vorbei ergibt
jetzt für das Verständnis der „Pan-
kee-Mentalität" tatsächlich soviel, wie
das Lesen von hundert Zeitungsaus-
sätzen.

Sehen wir von der eigentlichen
Hetzpresse ab, die nicht Amerika,
sondern die Entente vertritt, so ist
man sich über die Rolle Iohn Bulls
drüben so ziemlich klar. Der Gute
angelt eben Neutrale, denkt: „nie-
der mit ihrer Schiffahrt, hoch mit
ihrer Flagge", kriecht freundlich unter

ihren Regenschirm und sitzt als „alte
Unschuld" auf ihrem Hut. Die deut-
sche Verlegenheit bei solchem Treiben
wird oft recht lustig und gegen uns
gar nicht boshaft geschildert. Für
die amerikanischen Kriegshetzer hat
man auch nichts übrig, dem Iingo
wird vielfach entgegentreten und
Roosevelt wird oft drollig genug ver-
spottet. Daß aber die Äberwachung
des amerikanischen Handels, daß ins-
besondere die sozusagen hanebüchene
Bevormundung sogar des Lesens und
Schreibens der Amerikaner, daß die
Zumessung ihres Postverkehrs als
Nnwürdigkeit empfunden werde,
den Eindruck hat man merkwürdiger-
weise nur selten. Ich habe aus der
Karikatur kein Beispiel dafür zur
Hand. Sehr beliebt sind dagegen
auch im Witzbild die spottenden Kla-
gen, daß Onkel Sam Heer und Flotte
vernachlässigt habe, und beliebt auch
bei denen, die man nicht Iingo
nennen kann. Man sah ja lange
schon die japanische Gesahr — und
jetzt sieht man zum mindesten die
Möglichkeit eines Kriegs auch
mit Deutschland schon lange.

Schon die Ablehnung Roosevelts
in der führenden Presse deutet dar-
auf, daß man die Konflikte mit uns
auch in der amerikanischen Karikatur
durchaus nicht überall leichtfertig
behandelt. Hier wurde auch der
Witzmacher von Beruf oft ernst, eine
Menge von Blättern zeugen dafür.
Es ist ein ganz anderer Ton in den
„Eartoons" über die Streitfälle mit
uns, als mit England — seit der
Lusitania. Bei immerhin vielen
Blättern, das muß zugegeben wer-
den, nicht ein Ton des Hasses und
der Wut, soudern des traurig be-
sorgten Suchens nach einem Aus-
weg. Aber — unter der Voraus-
setzung, mit einem Gegner zu tun zu
haben, der Menschenrechte zu niedrig
schätzt. Wie man dazu kam, das
erklärt der „amerikanische Stand-
punkt" nur zur Hälfte, die andere
 
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