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Wmtftytz

Zeitung

für bildende Kunst und Baukunst.

Ünnftblott

Organ

der deutschen Kunstvereine.

Kugler in Berlin

in Berlin — Schulz in Dresden

J/18.

Unter Mitwirkung von

Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Düsseldorf — Schnaase
Förster in München — Eitelberger v. Edelberg in Wien

redigirt von Dr. P. Eggers in Berlin.

Montag, den 6. Mai.

1850.

Ein Madonnenbild von Raphael.

Sendschreiben an Herrn Dr. F. Kugler in Berlin.

-Antwerpen, durch die Hauptwerke seines Rubens wie durch
seine blühende Malerschule das Ziel der Wanderung so man-
cher Jünger und Forscher der Kunst, besitzt in der zwar klei-
nen, doch ansgewählten Sammlung des Herrn Kaufmann Wuyts
einen Schatz, wie er nicht häufig in Privat - Galerien gefunden
wird. Diese Sammlung, mit eben so viel Kenntniss als Glück
von dem Besitzer zusammengestellt, umschliesst Werke älterer
und neuerer Meister, hier sei aber nur von einem Bilde die
Rede, das die Welt allein dem Kunstsinne des glücklichen Be-
sitzers verdankt, ohne den es vielleicht für immer oder noch
lange verborgen geblieben wäre.

Es war vor einigen Jahren, als Herr Wuyts auf dem Land-
gute eines Freundes, in der Nähe Antwerpens, über dem Ka-
mine eines Saales ein Gemälde bemerkte, das ihm, obgleich
es durch die Zeit dunkel und kaum kenntlich war, in den ein-
fachen grossen Linien der Figuren „Maria mit dem Christkinde
und Johannes", dreiviertel Lebensgrösse, einen italienischen
Meister erkennen Hess. Herr Wuyts schlug dem Freunde vor,
das Bild abnehmen und reinigen zu lassen und erbot sich für
die Reinigung selbst Sorge tragen zu wollen. Das Bild wurde
wirklich abgenommen und nach Antwerpen gebracht, wo es
jedoch wieder einige Zeit stehen blieb, bis Herr Wuyts selbst
in dessen Besitz gelangte. Schon bei den ersten Versuchen
der nun vorgenommenen Reinigung sah der neue Besitzer seine
Ahnungen von der Schönheit seines Findlings sich herrlich er-
füllen und bald entschleierte sich ein Meisterwerk, das ausser
wenigen schadhaften Stellen rein erhalten, in allen Zügen den
Stempel der Meisterhand des göttlichen Urbiners trug. Des-
halb säumte auch nicht der mit Kunst und Kunstgeschichte wohl-
vertraute Herr Professor J. A. De Laet in Antwerpen, der-
selbe, welcher in neuester Zeit durch seinen Catalogue du
Musee d'Anvers, welchen er im Auftrage der königl. Akademie
verfasste, eine Probe ernsten kritischen Studiums ablegte, dem
neuentdeckten Schatze durch die Benennung „Madonna aux
Langes" von Raphael seine Stellung unter des grössten Mei-
sters Werken anzuweisen.

Herr Wuyts suchte nun zu erforschen, auf welche Weise
,:las Gemälde auf jenes Landgut gekommen sein möge, konnte

aber mit Bestimmtheit nur erfahren, dass das Gut lange Zeit
im Besitze von geistlichen Herren war, so dass das Bild wohl
zwei Jahrhunderte hindurch jene Stelle eingenommen haben mag.
Auf diese Weise theilte dies Werk das Loos manch andrer
Werke Raphaels, die erst unsre Zeit so glücklich war, der
Welt wiederzugeben, wie z. B. die Madonna della Tenda in
Turin und das Abendmahl zu Florenz. Um sich aber noch mehr
Gewissheit über die Autorschaft seines Bildes zu verschaffen,
unternahm Herr Wuyts selbst die Reise durch Italien, dort die
Hauptwerke Raphaels durch eigne Anschauung kennen zu ler-
nen und brachte die vollkommene Genugthuung mit heim, dass
seine Madonna wohl jeden Vergleich mit den Madonnen des
grossen Schülers Perugino's aushalte.

Während meines Aufenthaltes im verflossenen Jahre zu
Antwerpen lernte ich auch die Sammlung des Herrn Wuyts, so
wie jenes Gemälde kennen, und angezogen von dessen Schön-
heit machte ich nach demselben eine Zeichnung und hoffe mir
den Dank aller Kunstfreunde und Künstler zu erwerben, wenn
ich durch den Kupferstich zur allgemeinen Kenntniss und Wür-
digung eines so bedeutenden und interessanten Werkes bei-
trage. Bereits ist auch der Stich, dessen Dedication der König
der Belgier auf die freundlichste Weise angenommen hat, be-
deutend vorgeschritten. Versuch' ich, es Ihnen zu beschreiben:
In einer heiteren Landschaft, deren Horizont durch Berge und
Architektur begrenzt wird, schlummert auf Decken und Kissen
das Christuskind. Maria kniet an seiner Seite, hebt einen
Schleier, der die Gestalt des göttlichen Knaben bedeckt hat,
leise in die Höhe und ist ganz im Anschauen verloren. Mit
dem linken Arm umfasst sie den kleinen Johannes, der, an
ihren Schooss geschmiegt, sich mit der Linken auf das Knie
der Gottesmutter stützt, während er mit der Rechten auf den
schlummernden Jesus zeigt. Die einfach naive Composition, die
jedoch durch den darüber gegossenen Zauber wirklich göttli-
cher Grazie um so mehr zur Seele spricht, gehört jener frü-
heren Zeit Raphaels an, in der er noch weniger nach idealer
Darstellung strebte; die Zeit der Entstehung möchte ohngefähr
in die der Madonna del Fuligno fallen, mit der unser Bild
auch hinsichtlich des kräftigen Colorits wetteifert. Mit der keu-
schen Anmuth der Composition steht auch Haltung und Farbe
im schönsten Einklänge; wie in dem süsschlummernden Christ-
kinde, in dem kindliche Freude strahlenden Gesichte des Jo-
hannes und auf den von der reinsten mütterlichen Seligkeit
verklärten Zügen der jungfräulichen Mutter noch keine Ahnung

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