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Zeitung

für bildende Kunst und Baukunst.

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Organ

der deutschen Kunstvereine.

Kugler in Berlin -
in Berlin

Passavant in Frankfurt
■ Schulz in Dresden — Förster in München

Unter Mitwirkung von
Waagen in Berlin

Wiegmann in Düsseldorf — Schnaase
Eitelberger v. Edelberg in Wien

redigirt von Dr. F. Eggers in Berlin.

J0 26.

Montag, den 1. Juli.

1850.

Die Bildwerke der diesjährigen Berliner Kunstausstellung.

(Scliluss.)

Xln Darstellungen, die aus der klassischen Mythe
entnommen sind, ist nicht viel Erhebliches zu erwähnen. Mit
artigen Amorn und Bakchantinnen (von A, Bräunlich, Franz
Friedrich und Fr. von Printz) werden wir immer noch
bedacht, und das ist auch ganz in der Ordnung, denn diese
Gestalten der alten Mythologie haben etwas unverwüstlich Ju-
gendliches für alle Zeiten. Julius Franz's Victoria verliert
gar zu sehr in der Nachbarschaft der Rauch'sehen Kranz-
werferin. Mag diese dem Künstler ihren Kranz „für seine
Kühnheit" zuwerfen. Die Skizze einer Bakchantengruppe von
demselben Künstler hat wenig vom bakchischen Taumel, mehr
von der Lustigkeit rheinischer Winzer. Bianconi, Wolgast,
Z i n n e r t und Dietrich haben saubre Copien nach bekannten
Meisterwerken ausgestellt. Noch ist ein Relief von Franz
Friedrich zu erwähnen, welches die bekannte Frobe der Kraft
darstellt, die Theseus vor seiner Mutter ablegen muss. Dass
uns diese sehr tüchtige Arbeit ziemlich kalt lässt, liegt in dem
Stoff, der für uns nicht das geringste Interesse hat. Beiläufig
scheint uns die Stellung des jungen Heroen nicht ganz geeignet,
um auszudrücken, dass er den Stein gehoben hat. Es sieht
vielmehr aus, als wolle er den aufgerichteten Block mit einem
Anlauf auf die Mutter wälzen, was auch das nachflatternde Ge-
wand wahrscheinlich macht. — Ein Relief von J. Alberty in
Birnbaumholz, nach der Antike vergrössert, überfalstafft den trun-
kenen Silen ein wenig zu arg. Eine so dickfaltige Haut kann
nur die Elephantiasis hervorbringen.

Sagen wir es nur gleich heraus, dass wir unter allen Werken,
die diesmal christliche Stoffe behandeln, nur Augen hatten
für Rietschl's Pietas. Eine christliche Niobe, in aller Demulh
und allem Stolz des Schinerzes um einen solchen Sohn! Wie
hier die uralte Geschichte, jetzt misshandelt im Frohndienst der
Bigotterie und vor klapperdürrer Ascese widerwärtig, jetzt
süsslich kokett für das Betzimmer einer fromm gewordenen
Courtisane herausgeputzt, von zahllosen Pfuschern und Meistern
hin- und hergewendet und — so dachten wir — hinlänglich
abgegriffen, — wie diese uralte Geschichte lebendig vor uns
steht, als wäre sie gestern geschehn, erschütternd, als hörten
wir davon heut zum ersten Male! Und warum wirkt dies Bild

so mächtig? -- Weil hier echt christlicher Geist weht, aber
christlicher Geist unseres Jahrhunderts und der Zukunft, vom
Göttlichen geschwängerte Menschlichkeit, Schmerz einer Mutter
um einen Sohn, den sie ihr eigen weiss, ohne Wunder ihr
eigen und darum nur wunderbarer. Kein gipserner Heiligen-
schein stört unser Mittrauern durch den Gedanken, dass sie et-
was mehr sei als eine Mutter. Und da ist überhaupt Nichts
das uns störte, keine hastige Geberde der augenblicklichen
Leidenschaft des Grams, die auf die Länge zur Fratze wird
kein Zug in dem schönen abgehärmten Gesicht, der nicht zu
dauern verspräche, so lange der Schmerz dauert. Dies Ver-
sunkensein in die todte, starre Ewigkeit des Grämens, dies
Anschaun des geliebten Angesichts, von dem kein anderer An-
blick sie losreissen kann, diese zusaminengepressten Hände, die
einander nicht lassen wollen, denn sie haben ja nichts mehr zu
umarmen — es ist das Höchste von Ausdruck, was je erreicht
werden kann. Und wie ist dieser Todtenfeier der Liebe ein
Sohn werlh, auf dessen entseeltem Antlitz noch die Priester-
schaft der edelsten Liebe verklärt ist! Nicht die Wundenmaale
rühren uns, kein magrer Leib, keine Dornenkrone zerreisst un-
ser Inneres, sondern dass ein solcher Mensch seine Mutter
nicht überleben durfte.

Dies sind einzelne Tropfen aus der Flut von Empfindungen
die das herrliche Werk über uns ausgoss. Sie werden uns bei
Manchen in den Geruch der Schwärmerei bringen, denn dass
ein Kritiker fein nüchtern bleiben müsse, ist ja hergebrachter
Glauben. Als ob unsereins, so viel die Pfuscher und Impo-
tenten von Natterzungen reden, nicht auch ein Mensch wäre
der halb von Sinnen kommt, wenn ihm das Bild zu Sais ent-
hüllt wird, dass er das Geheimniss der Wahrheit mit Augen
schaut.

Aber wir wollen es jenem Aberglauben zu Gefallen thun
und ganz trocken hinzufügen, dass diese Gruppe nicht meister-
licher durchdacht, als ausgeführt ist. Gewandung und Nacktes
ist tadellos bis ins geringste Theilchen durchgearbeitet. Das
alte Schulwort, Schönheit sei Einklang von Inhalt und Form,
wie weite Grenzen darin dem Begriff gesteckt sind, hier ist
es an seiner Stelle. Werden in Deutschland, wo doch noch
manche Christen und viele Kunstbegeisterte leben, die Mittel
nicht aufzutreiben sein, um dies Werk in Marmor ausführen
zu lassen?

Wenden wir uns nun zu den Werken, die geschicht-
liche Themata behandeln, so ist vor Allen H. Schievel-

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