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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 1.1897-1898

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Schliepmann, Hans: Nationale Kunst - nothwendige Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6384#0046
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Deutsche Kunst und Dekoration.

Fliescngcmälde: Antilopen. MAXIM, von HEIDER & SÖHNE, München.

NaTTonale kunsT noTWenpige kuNsT

zur Bildung gehöre! Aber ist dieses unbequeme
und trotzdem noch immer vorhandene Vorurtheil
nicht das deutlichste Zeichen, dass auch in den
wcrbildetsten Seelen noch die Empfindung von
dem allgemein menschlichen Bedürfniss nach
Kunst lebt? — Ja wohl! Die Kunst ist eines
der ursprünglichsten Bedürfnisse des Menschen,
mag es auch nur im Federschmuck der Wilden,
oder in — überfüllten Tingeltangeln, Fünfzig-
pfennigbazaren und in Gigerlmoden zum Aus-
druck kommen, — als Zeichen des eigentlichen
Werthes unserer »Bildung«. Ob aber andere,
höhere Bedürfnisse nach Kunst heut neben
jenen verkümmerten ernstlich in Frage kommen?
— Fragt die Künstler, die nicht Kunstgeschäfts-
treibende sind! Fragt sie, was sie dem »Volke
der Dichter und Denker« sind. Es wird schwerlich
trostreich lauten! — Selbst eingeborene geistige
Bedürfnisse verlangen eben eine Pflege, eine
Entwickelung zum Höheren — die eigentliche
Aufgabe aller wahren Kultur. Unser Kultur-
firniss ist jedoch nur so dünn, dass der geringste
Stoss den schlechten Untergrund zum Vorschein
bringt — eben jene angedeuteten und noch
manche anderen Zeichen unserer »Bildung« und
Unkultur, als da ist Unbestand im Geschmack
gleich Modewechsel, gekrönter Dilettantismus,
Auslandverherrlichung, Protzenkunst u. a. m.
Welches sind denn aber nun die Ursachen,

n einer Zeit, da Wissen-
schaft und Technik, die
Künste des Verstandes,
zu einer staunenswer-
then, ja oft bereits schier
abergläubisch angebete-
ten und angehimmelten
Entwickelung gelangen,
ist für die eigentliche
Kunst, das schöpferische
Weben von Phantasie und Gcmüth, wenig
Raum. Die noch etwas grüne Weisheit der
Nationalökonomie, die für die Anomalien in
der Produktion und Werthbemessung auf dem
Gebiete der Kunst ihr Sprüchel noch nicht
gefunden hat, ist denn auch meist bereit,
mit der Phrase »Kunst ist Luxus« den armen
Künstler wie Zeus bei Schiller mit einem: »die
Welt ist weggegeben« von der Thür zu weisen.
Mindestens machten die »berufenen« Praktiker
der Nationalökonomie, die Herren Finanz-
minister und -räthe im lieben deutschen Reiche,
diesen Lehrsatz längst zum Leitsatz und haben
für die Kunst nur gelegentlich ein Almosen
übrig, weil nun einmal das »Vorurtheil« besteht,
dass die Kunst doch schliesslich zur Bildung
gehöre. Und ganz ungebildet darf nicht einmal
ein einseitiger Pfleger des Mammons sein! —
Ein merkwürdiges Vorurtheil, dass Kunst
 
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