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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 12.1903

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Krematorien und moderne Grabanlagen
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Neue Ornamentik und deren wissenschaftliche Grundlage
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https://doi.org/10.11588/diglit.6693#0115
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406

Krematorien und moderne Grab-Anlagen. — Neue Ornamentik.

auf, und die weiteren Vorgänge werden
den Blicken aller entzogen. Die pergola-
artige Ausbildung an dem Heilbronner Ge-
bäude soll als Blumen - Hain ausgestattet
werden, während die Terrasse dahinter
Oberlicht in die unteren Räume spendet.

Bei dem anderen Projekt von Beutinger
ist um das Gebäude herum ein Umgang
gelegt und zwar im Ober- und Unter-Ge-
schoss; der obere Teil dient zur Aufstellung
von Urnen und Gedenk-Tafeln, während im
kammerartig geteilten Unter - Geschoss die
Aschen-Gefässe ihre Ruhe finden sollen. —
Wir glauben durch Vorführung dieser sorg-
fältig durchgearbeiteten Projekte Beutinger 's
wesentlich dazu beizutragen, dass die Aus-
bildung und Ausschmückung unserer Krema-
torien und Gräber allmählich ebenfalls in
würdigere stilistische Bahnen gelenkt wird.
Ein Krematorium ist etwas durchaus modernes
— und als solches soll es sich auch darstellen.
Möchten daher Beutinger's Bestrebungen auf
dem Gebiete der Krematorien und Gräber
die ihnen zukommende Beachtung finden!

© neue Ornamentik, &

Der Umschlag des vorliegenden Heftes,
wie auch die merkwürdig spröden und
doch in ihrer seltsamen Rhythmik so fesseln-
den und anmutigen Text-Verzierungen auf
S. 41g u. 421, geben uns Veranlassung, mit
einigen Rand-Glossen auf die ornamentalen
Versuche einzugehen, welche der Urheber
dieser Zeichnungen, Architekt L. Fr. Fuchs
in Arheilgen bei Darmstadt unternommen
hat. Der Künstler ist ein Pfadfinder und
sucht mit kühnem Mute im kaum betretenen
Neuland vorzudringen, um der Kunst und
vornehmlich der ornamentalen Gestaltung
neue Ziele zu stecken. Es sind die
Geheimnisse, welche die moderne und
modernste Natur- Wissenschaft dem Schosse
der unerforschlichen, grossen Mutter Natur
entlockte, welche hier die konzentrierende,
krystallisierende Kraft der Kunst zu rhyth-
mischen Bildungen umgestalten, neugestalten
möchte. Organische Bildungen werden zu
neuen Organismen von absolut künstlerischer
Gesetzmäßigkeit umgesetzt, sie werden der

Natur - Gewalt entzogen, um unter rein-
aesthetischen Bedingungen ein neues Leben
zu beginnen. Der Künstler gibt in dem
Aufsatze »Der Weg vom Natur - Studium
bis zum Ornament«, selbst in kurzen, all-
gemein-verständlichen Darlegungen eine Be-
gründung und Erläuterung seines Systemes
und seiner Methode, so dass wir uns an
dieser Stelle mit einigen Andeutungen be-
gnügen durften. Nur soviel scheint festzu-
stehen, und die teilweise höchst reizvollen,
abgerundeten Ornamente für Tapeten-,
Textil-, Juwelier-Muster, welche L. Fuchs
auf der Leipziger Ausstellung vorführte, be-
wiesen es deutlich, dass diese Übersetzung
des in uns modernen Menschen nun einmal
herrschenden wissenschaftlichen Empfindens
in künstlerische Gestaltung ein Entwickelungs-
Prozess ist, der kommen musste; und es ist
gerade das Gebiet des Ornaments, auf dem
man zuerst daran denken darf, frei zu werden
von der mehr oder weniger sklavischen
Kopierung der Natur, wo man, gestützt auf
die Errungenschaften moderner Forderung,
zuerst es wagen darf, der Natur gebieterisch
gegenüber zu treten und ihre geheimnis-
vollsten organischen Elemente in den Dienst
der Kunst, der organischen Schönheit
zwingen. — Deshalb wird sich wohl die
Aufmerksamkeit der Schaffenden wie der
Forschenden in gleicherweise diesen neuen
ornamentalen Bestrebungen zuwenden, denn
sie sind in doppelter Hinsicht neu und
fruchtbar. So sehr die bis jetzt vorliegen-
den Ornamente dieser Art auf den ersten
Anblick befremdend wirken — es fehlt
ihnen eben jede »Porträt-Ähnlichkeit« mit
bekannten Natur - Formen, ohne die man
sich bisher kein Ornament denken konnte —
so sehr fesseln sie uns bei längerem Ver-
weilen und Beschauen. Es kreist in ihnen
ein eigenes, rhythmisches Leben, das uns, je
länger je mehr, die Schönheits-Gesetze offen-
bart, von denen und in denen es sich bewegt.
Wir hatten ja, schon seit Beginn der modernen
Bewegung und vielleicht schon vorher, ein
rein - lineares Ornament, dessen karrikierte
Formen, die »Bandwurm«- und »Brosch-
Laich« - Motive geradezu populär geworden
sind, und es sind in dieser rein-linearen Art
 
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