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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Lehmann, Alfred: Wandlungen: Eine Bilanz über das deutsche Kunstgewerbe im Sommer 1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0023
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0.

WANDLUNGEN.

Eine Bilanz über das deutsche Kunstgewerbe im Sommer 1904.

VON DR- PHIL. ALFRED LEHMANN.

Stilformen und Moden, schnell eilen sie
dahin — wie die Jahre. Eine bunte,
schillernde, endlose Kavalkade, als Edel-
leute angetan die einen, aufgeputzt als
Jockeys, Lakaien und Clowns die andern.
Sieger ist, wer am längsten auf der Renn-
bahn bleibt, wer zuletzt das Ziel erreicht.
Das prunkende Barock, das elegante
Rokoko, der schwermütig-sentimentale
Louis XVI, das togatete Empire mit
Beilen und P"asces, der bescheidene Bieder-
meier — Stöckelschuhe, Krinolinen,
Wespentaillen, Puffärmel, rauschende Un-
terröcke, Perrücken, Zöpfe, Schmacht-
locken, Jabots, Vatermörder, buntscheckige
Beinkleider, graue Zylinder, Schön-
pflästerchen, Tabatieren, Gretchentaschen,
Kommoden und Vertikows — und hurre,
hurre, hop hop hop, gings fort in sau-
sendem Galopp! Die Toten reiten schnell!

Dort kehrt wohl auch ein Reiter, nach-
dem er längst dem Blick entschwunden
war, noch einmal zum Start zurück, um
aufs neue die Bahn zu durchmessen. Dann
graut uns vielleicht vor dem Wieder-
kömmling, gleichwie vor einem Revenant,
einem nächtigen Gespenst, aber nicht lange,
und er erscheint uns schon nicht mehr
in fragwürdigem Totenkleid. Dort wandelt
wohl auch einer, mitten im Reiten, Farben
und Wert, und über ein kleines begleitet
auch seine Metamorphose der Jubel der
Menge. Aber der Tross der Kavaliere
und Herren, unverändert und unaufhaltsam,
wie von einer unsichtbaren Macht ge-
trieben, zieht vorüber! Wer sind die Stall-
meister in dieser Arena, deren Peitschen-
schlag dem einzelnen sein Tempo gebietet,
wer rief diesen zurück, wer wandelte jenes
Gestalt? Und die Zuschauermenge hinter
den Schranken und auf den Tribünen,

welches sind die Triebfedern ihres jauch-
zenden Zurufes oder ihres höhnischen Ge-
lächters? Wahrlich verworren ist der
Anblick eines solchen Feldes und mit
schweren Rätseln ist es beladen.

Um das Fragmentarische der nun
folgenden Bilanz über die angewandte
Kunst zu entschuldigen, ist das Gleichnis
vom Sportplatz der Stile und Moden ge-
wählt worden. Nun möge über dem Bilde
der Schleier fallen. —

Wie steht es heute um die deutsche
angewandte Kunst ? Mit einer gedrängten
Beantwortung dieser Frage sei der 8. Jahr-
gang der »Deutschen Kunst und Deko-
ration« eröffnet. —■ An allem Anfange ist
festzustellen, dass wir auch im Jahre 1904,
den hochfliegenden Wünschen ungeduld-
iger Propheten zum Trotz, keinen kunst-
gewerblichen Stil, das Wort im historischen
Sinne genommen, besitzen. Noch immer,
wenn auch nicht mehr so absurd wie vor
wenigen Jahren, geberdet sich stürmisch
der Most, noch immer hat er keinen Wein
gegeben. Was uns gut und schön dünkt
am neudeutschen Kunstgewerbe, das ist
entweder die individuelle Ausdrucksform
einer uns Menschen des zwanzigsten Jahr-
hunderts sympathisch berührenden künst-
lerischen Persönlichkeit, oder es ist ein
ganz allgemeiner und ein wenig ver-
schwommener Widerschein des Wollens
und Fühlens unserer Zeit, der sich in der
künstlerischen Ausgestaltung unseres Hau-
ses und Hausrats verkörpert. Noch hat
weder eine Künstlerindividualität von
zwingender Kraft dem gesamten deutschen
kunstgewerblichen Schaffen ein einheit-
liches Gepräge gegeben, noch hat der
kunterbunte Niederschlag unseres kompli-
zierten Innenlebens sich zu klaren und







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