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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Jaumann, Anton: Vereinfachen und Stilisieren, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0335
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Vereinfachen und Stilisieren.

J. V. CISSARZ—DARMSTADT,

malten, und das bedeutet etwas anderes als
photographieren. Was sie hervorbrachten,
waren malerische Konstruktionen.

Der Künstler übt also auf jeden Fall
einen modifizierenden Einfluss auf den Inhalt
des Bildes aus. Nun soll aber das Bild —
und diese Forderung tritt von Tag zu Tag
gebieterischer auf — auch einen dekorativen
Zweck erfüllen. Es ist nicht dazu bestimmt,
ewig auf der Staffelei zu bleiben, sondern
soll einmal eine Wand, einen Raum schmücken;
die Beziehung zu diesem Raum, dieser Wand
wirkt aber wieder zurück auf das Bild, es
muss von vornherein auf jenen Zweck be-
rechnet werden. Damit sind meist Grösse
und Format gegeben, darnach richtet sich

auch Wahl und Zusam-
menstellung der Far-
ben ; die Komposition
ist nicht mehr frei, eine
bestimmte Linien-Füh-
rung wird gefordert.
Und die Gestalt des
Raumes, in dem das
Bild hängen soll, wird
auch vorschreiben, ob
mehr oder weniger tief
und wie der »Raum«
des Bildes beschaffen
sein soll. Das alles
zwingt den Künstler,
von der darzustellenden
Natur abzugehen, in der
Zeichnung zu verein-
fachen, wegzulassen, zu
ergänzen usw. und er
wird auch die Farben
der Natur seinen Zwek-
ken entsprechend ver-
ändern müssen. — Das
Bild an der Wand will
ja für gewöhnlich von
vorne betrachtet wer-
den; die den Beschauer
beherrschende Vertikal-
richtung wird dabei
unwillkürlich auch im
Bild vorausgesetzt, so
dass alle Gegenstände
und die gesamte Kom-
position sich nach dem Zuge von oben
nach unten orientieren, »ausrichten«. Das
bewirkt, dass nur bestimmte Ansichten dort
zulässig sind, andere nicht. Die Menschen
z. B. können dort wohl von vorn oder von
der Seite dargestellt werden, aber nicht von
oben oder von unten. Auch die Lage des
Horizontes ist nicht gleichgültig; wenn das
Bild hoch hängt, kann der Horizont nicht
ebenfalls hoch angenommen werden, und
umgekehrt. Wie aber wird es sich nun
beim Deckengemälde verhalten und beim
korrespondierenden Fussbodenmosaik? Die
werden von unten und von oben betrachtet
und man dreht sich dabei, hält also keine be-
stimmte Richtung fest. Wird es möglich

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Aus dem Schlafzimmer.
 
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