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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 17.1905-1906

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Michel, W.: Das nationale Element in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7136#0158
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DAS NATIONALE ELEMENT IN DER KUNST.

Vor vier oder fünf Jahren tauchte an
der Literaturbörse das Schlagwort
»Heimatkunst« auf. Wieder einmal —
zum wievielten Male seit Moscherosch und
Opitz? — entdeckten Deutsche, dass die
deutsche Dichtung tief in einer gesinnungs-
losen Ausländerei stecke, und hielten ihrem
Volke derbe Predigten über seine natio-
nale Eigenart, in denen vierschrötige Wort-
klötze, wie »bodenständig«, »erdschollig«,
»wurzelecht«, »bodenschwanger« und die
lieblichen Komposita »Erd-, Heimat-,
Schollen- und Boden-Geruch« zu Dutzenden
daherpolterten. Die Dichtung habe die
Berührung mit der Erde verloren, sprachen
sie. Auf den Trottoirs der grossen Städte,
voran im internationalen Sündenbabel
Berlin, sei sie verkümmert und verdorrt.
Zur Scholle müsse sie zurückkehren, ihre
nationale Eigenart wieder entdecken und
ihr eine bewusste Pflege angedeihen lassen.
Und so geschah's. Mit der Heugabel über
der Schulter und einem pfiffigen Lächeln

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im Gesicht hielt der »schwerschollige«
Bauer seinen Einzug in die Literatur, und
mit ihm kam der Spiessbürger der
deutschen Kleinstadt einhergeschritten.
Die deutsche Muse ging in Schlafrock
und Pantoffeln, und auf dem deutschen
Parnass roch es so ländlich, dass empfind-
liche Nasen in der steten Gefahr des
Heuschnupfens schwebten. Das ideale
Deutschland, das diese Heimatdichter auf-
bauten, war ein gemütlicher, harmloser
Agrarstaat, seine Hauptstadt hiess nicht
Berlin, sondern etwa Krähwinkel oder
Schiida, und in manchen Köpfen mag
sich damals der biedere Hubersepp als
vollkommenerer Typus des Deutschtums
gemalt haben wie sämtliche Vertreter der
deutschen Grossindustrie.

Wie es zu gehen pflegt: die Kunst
folgte der Literatur in die Sommerfrische
nach. Und während in der Literatur das
Schlagwort von der Heimatkunst schon
deutliche Anzeichen von Altersschwäche





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