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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Zimmermann, Ernst: Porzellan-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0054
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PORZELLAN-KUNST.

VON I)R. ERNST ZIMMERMANN.

Es ist lang genug her, daß wir in Europa
eine Porzellankunst besessen haben, daß
hier ein Porzellan gestaltet ward, das wir mit
gutem Gewissen als ein künstlerisches be-
zeichnen können, und das wie ein Ausfluß
jener allgemein menschlichen Schöpferkraft er-
scheint, die auf anderen Gebieten und wohl
mit noch stärkerem Kraftaufwand die herr-
lichsten Gemälde, die herrlichsten Statuen
zuwege bringt. In demselben Maße, wie im
19. Jahrhundert sich dank einer verbesserten
Technik und einer rationelleren Betriebsweise
das Porzellan im Vergleich zu dem des ver-
gangenen bei uns sich verzehn-, ja verhundert-
facht hat, in demselben Maße, wie es aul
diese Weise so popularisiert worden ist, daß
es heute ganz allgemein zu den gewöhn-
lichsten Dingen der Welt gehört, hat es auch
seinen eigentlich künstlerischen Charakter
verloren, ist es in der Hauptsache zu einer
reinen Gebrauchsware herabgesunken, so sehr,
daß eine wahre Kunst sich hier nicht weiter
profanieren wollte. Denn was man scheinbar
auf Tassen, Tellern, Vasen, Blumentöpfen
und dergleichen als angebliche Kunst damals
hingestrichen oder mechanisch darauf gesetzt
hat, was dort an denselben Stellen stand, an

denen einst sich die feinste Handmalerei ent-
faltete oder eine wirklich zielbewußte Deko-
ration sich ausdehnen durfte, das kann doch
in seiner Unbehilflichkeit und Qualitätslosig-
keit keine Kunst genannt werden, das ist
nicht einmal, da es nicht wirklich wirkungs-
voll dekorierte, Dekoration zu nennen. Es
war höchstens Belebung und Bereicherung,
bestimmt, diese Dinge wertvoller zu machen,
weil sie mehr Arbeit erhielten. Es war ein
materielles, kein künstlerisches Plus.

Seit dieser Zeit ist es allerdings dank
dem allgemeinen Aufblühen der dekorativen
Kunst in dieser Beziehung unleugbar besser
geworden. Das Sehnen nach einer Porzellan-
kunst ist in der Erinnerung an die der ver-
gangenen Zeiten wieder erwacht: an vielen
Stellen sind die energischsten Versuche gemacht
worden, eine solche wieder ins Leben zu
rufen und achtbare Leistungen bereits viel-
fach entstanden, die besser zu sein scheinen
als alles, was das 19. Jahrhundert auf diesem
Gebiet geschaffen. Es ist ein bedeutender
Schritt wieder nach vorwärts getan. Ob aber
wirklich hierbei das Wesen der Porzellankunst
schon ganz wieder erfaßt ist, ob wirklich die
Künstler, die sie schaffen, das Publikum, das

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