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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Riezler, Walther: Neue Arbeiten von Richard Riemerschmid
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0177

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RICHARD RIEMERSCHMID.

Eingesetzter Stuckfries.

NEUE ARBEITEN VON RICHARD RIEMERSCHMID.

Es ist ungemein reizvoll, die Entwicklung
Richard Riemerschmids zu verfolgen.
Sie gewährt uns — besser als das Schaffen
der wenigen ganz abgeschlossenen »Persön-
lichkeiten« , von denen jede für sich einen
»Stil« darstellt, wie etwa Bruno Paul oder
Bernhard Pankok — einen klaren Blick auf
den Weg, den das moderne Kunstgewerbe
bisher gegangen ist, und einen erfreulichen
Ausblick auf die Zukunft.

Riemerschmids frühere Arbeiten kenn-
zeichnet wie die der meisten andern eine ganz
bestimmte Art von Formen, die allerdings bei
ihm mehr als bei den andern sich zu erkennen
gab als Ausdruck des Zwecks, als »Funktion«,
die aber, trotzdem sie sich so stark auf die
Sache zu richten schien, stets ein starkes
individualistisches Moment, das vielleicht dem
Künstler selber ganz unbewußt blieb, be-
wahrte. Beispiele hierfür sind das Münchner
Schauspielhaus oder Riemerschmids Räume
auf der Pariser Welt-Ausstellung 1900, sowie
auch viele seiner früheren Beleuchtungskörper
und Geräte.

Im Laufe der Jahre nun ist die indivi-
dualistische Empfindung immer mehr zurück-
getreten, und im gleichen Verhältnis hat die
Sache gewonnen.

Worin diese »Sache« besteht, das ist schon
oft gesagt worden: wenn wir jetzt einmal nur
vom Einzelmöbel reden, in dem Zweck, dem
dieses Möbel dient, und in dem Material,
aus dem es gefertigt ist.

Über den Zweck ist es kaum nötig ein
Wort zu verlieren. Er drückt sich in jedem
Riemerschmidschen Möbel mit einer solchen
Deutlichkeit aus, daß er jedem Beschauer
ganz von selber in die Augen fällt. Ohne
Übertreibung läßt sich sagen, daß an keinem
dieser Möbel einmal eine Unklarheit über
den Zweck besteht, oder daß gar — was bei
anderen modernen Möbelkünstlern gar nichts
seltenes ist — irgend eine zweckwidrige Form
sich einschleicht, die den Gebrauch erschwert.

Wer sich über die Möglichkeiten unter-
richten will, die im Material liegen, der
kann sich keinen besseren Führer wählen als
Riemerschmid. Welche Fülle von Reiz hat
er allein aus dem Holz herausgeholt. Und
zwar ist hier gleich als charakteristisch zu
erwähnen, daß er gerade die nächstliegenden
Reize am meisten liebt, diejenigen, die der
Natur des Holzes am meisten entsprechen —
im Gegensatz zu manchen andern, die durch
alle möglichen Prozeduren das edle Material
zu raffinierten Zwecken dienstbar machen.
Das ganz unbearbeitete, nur glatt gehobelte
Holz benützt er zu den schönsten Wirkungen:
der ganze Arbeitsraum in seinem eigenen
Hause (Abb. S. 205) ist in natürlichem Lärchen-
holz gehalten, dessen Farbe, von Anfang an
schön, mit den Jahren immermehr an Glanz
und Wärme gewinnt. Die Maserung des
Holzes wird als formbildender Faktor benutzt;
an den großen Flügeltüren im Haus Sultan
(Abb. S. 180) ist die Wirkung auch auf der

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