Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

DOI Artikel:
Schmitz, H.: Julius Lessing (gest. 14. März 1908)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0219

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Julius Lessing.

Handwerker die erfindenden Künstler, die Ar-
chitekten, nicht mehr nötig zu haben glaubten.
Auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung in Treptow,
1896, trat diese Tatsache auf die traurigste Weise
ans Licht. Hier stellte das Kleingewerbe und
Handwerk nur Massen von unsolider Ware aus;
dekorativer Renaissanceaufpurj sollte über die
schlechte Arbeit hinwegtäuschen. „Die einzige
Rettung aus dieser Stagnation", schrieb Lessing,
„bietet das Eintreten wirklicher Künstler,
welche für Aufgaben besonderer Tragweite ihre
Kraft einsehen und dadurch nicht nur gute Einzel-
stücke schaffen, sondern Vorbilder, die die
Menschen nach sich reißen!" Er bedauert, daß
von der „neuen" Richtung keine Zimmer aus-
gestellt waren: „die Kleinbürger und Handwerker
wären aufgerüttelt worden aus der selbstgefälligen
Erstarrung, sie würden bemerkt haben, daß sie
sich in einem abgelebten Formenkreis bewegen,
während draußen in der Welt frische Winde
wehen." Die Bewegung der neuen Richtung war
übrigens Lessing keineswegs entgangen. Schon
1878 (!), auf der Pariser Weltausstellung, weist
er hin auf eine Gruppe englischer Möbel, „die
lediglich aus der Konstruktion heraus erfunden
sind; es ist dies eigentlich nichts anderes, als
die richtige Konsequenz unserer Zeit, deren
eigenstes Kind eine rein konstruktive Maschine

ist. Ich glaube, in diesen Möbeln den Durch-
bruch eines eigenartigen, wesentlich modernen
Bewußtseins sehen zu müssen. Sie können mög-
licherweise zum Ausgangspunkt eines neuen
Stils werden!" Sie sind es geworden. Ein
Jahr nach jenem „rauschenden" Jahrmarkt in
Treptow fand in München die erste Ausstellung
der Vereinigten Werkstätten für Kunst und Hand-
werk statt (1897). Und Lessing sprach jerjt
die Überzeugung aus, daß das „Moderne" mehr
sei, als eine Laune, daß dies der eigentliche
Ausdruck unserer Eisen- und Maschinenzeit sei.
Er hatte die Selbstüberwindung zu sagen: daß
die historische Museumsbewegung mit
ihrem Atelierstil und Kringelkram zu einem
Ziel nicht geführt habe! Daß die „neue"
Zeit jerjt wieder anknüpfe an den Mahagonistil
von 1830. Die von ihm mit heraufgeführte Re-
naissanceströmung von 1860 bis 90 sei ein
Zwischenstadium gewesen, nötig allerdings als
Periode der „Restauration", als eine Zeit, die
das Historische ganz beherrscht und damit zu-
gleich aber seine Überwindung vorbereitet habe.
Lessing hat das Moderne nicht gehemmt, nicht
gefördert, er ist nebenher gegangen. Er hat
sich nicht widersetjt, im Gegenteil, als Eckmann,
Grenander, Messel, Orlik in das Kunstgewerbe-
museum eintraten. Er hat auf der Weltausstellung

RICHARD RIEMERSCHMH). Kleider-Ablag im Wohn- u. Atelier-Gebäude in Pasing.

1008. IX. 8. 20/
 
Annotationen