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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Schaukal, Richard: Zur Ästhetik der Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0292
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Zur Ästhetik der Ausstellungen.

KM MV IIOKMAN N HK KMKN.

Gestickte Decken und Kissen.

ZUR ÄSTHETIK DER AUSSTELLUNGEN.

EINE GLOSSE VON R. SCHAUKAL.

In Begleitung aus der Provinz zugereister Ver-
wandten habe ich neulich eine in Wien er-
öffnete Mode-Ausstellung besucht. Der Eindruck
war überwältigend. Was da zu den versöhnlich
stimmenden Weisen der obligaten Musikkapelle
hinter Glas und unverglast den erst bestürzten,
dann lächelnden Augen sich bot, war eine wahre
Orgie der Geschmacklosigkeit. Ich mufj aus-
drücklich betonen, dafj vereinzelt Gutes, sogar
Treffliches zur Schau stand, — zumal eine vornehm
ausgelegte Partie englischer Modeartikel stach ab
— aber dieses treffliche Einzelne konnte nicht auf-
kommen, es unterlag der Wucht der Masse. Und
die Masse war — es nüt}t nichts — Grauen. Nun
ist bekanntlich Wien in Modesachen aller Art
nichts weniger als geschmacklos. Im Gegenteil.
Zumal die Reichsdeutschen mit der Konfektions-
zentrale Berlin haben keine Ursache, wie dies
zu meinem höchlichen Befremden jüngst eine un-

verkennbar „deutsch" gewandete Dame mir gegen-
über getan hat, den Wienern Mangel an Geschmack
vorzuwerfen.

Nichtsdestoweniger mufj ich bekennen: dieses
mein unverschuldetes Erlebnis war schauderhaft,
höchst schauderhaft. Und ich will sogleich auch
versuchen zu sagen, warum es nicht anders sein
konnte.

Ausstellungen an und für sich sind eine als
ästhetischer Gesamteindruck heikle, ja peinliche
Sache. Ausstellungen aber von Modeartikeln,
das ist Gegenständen der Bekleidung, der Aus-
stattung, des täglichen kleinen und großen Luxus
sind unbedingt häßlich, weil diesen Dingen in
unsrer Zeit der Zusammenhang fehlt, weil
das, was Mode heißt, nicht Stil ist. Und nur
Stil, so disparat das Einzelne zum Einzelnen sich
theoretisch auch verhalten möge, nur Stil schafft
unbefangen Zusammenhänge. Wenn wir heute

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