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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Breuer, Robert: Tagung des deutschen Werkbundes: in Frankfurt a. M. 30. Sept. - 2. Okt. 1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0175
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TAGUNG DES DEUTSCHEN WERKBUNDES

IN FRANKFURT A. M. 30. SEPT.-2. OKT. 1909.

Wenn es anfangs so aussah, als wäre der
„Deutsche Werkbund", dieser Zusam-
menschluß von Künstlern und Fabrikanten,
von Theoretikern und Handwerkern, ein ge-
wagtes Experiment, so hat es sich in zwei Ar-
beitsjahren gezeigt, daß der Bund, der aus na-
türlichen Feinden überzeugte Freunde machte,
zu leben vermag. Und nicht nur zu leben; er
erstarkt und schlägt Wurzel und breitet seine
Kreise weit aus auf alle Gebiete der Produk-
tion und der Konsumtion. Er ist heute bereits
ein Faktor, mit dem die Gewerbe- und die
Kunstpolitik (soweit es so etwas gibt) rechnen
muß. Er wurde zur maßgebenden Instanz für
alle Fragen aus dem Gebiete der geschmack-
vollen Qualitätsarbeit. Qualitätsarbeit für je-
den Beruf, für den einzelnen, wie für das Volk,
für den Entwerfenden und den Ausführenden,
für den Verkaufenden und den Einkaufenden,
Qualitätsarbeit aus Überzeugung und
Egoismus, das ist das eigentliche Fundament
und das höchste Ziel des Werkbundes und all
derer, die sich unter seine Fahne gestellt.

Die Frankfurter Tagung war die zweite
Jahresversammlung des Plenum. Sie begann
damit, daß Bericht erstattet wurde über die
Leistungen und die Erfolge seit München 1908.
In der Tat, der Bund ist nicht müßig gewesen;
wer zu lesen vermag, erfuhr durch die nüch-
ternen Worte des Jahresberichtes (der auch
gedruckt vorliegt) von vielen Beratungen der
Kommissionen, von vielen Reisen des Ge-
schäftsführers, von zahllosen Verhandlungen
und einer Fülle von Skripturen und ausge-
sandten Drucksachen. Welche Art auch immer
die einzelne Absicht und ihre Frucht war, die
Tendenz aller geht darauf; die Besten, die
Weitblickendsten, die Einflußreichsten aus
Architektur und Kunstgewerbe, aus Handwerk
und Kaufmannschaft, aus Stadtverwaltung und
Regierung für die Idee der geschmackvollen
Qualitätsarbeit zu gewinnen. Und es ist ge-
wiß kein Optimismus, wenn man aus dem Er-
trag des vergangenen Jahres und auf Grund
der neuesten Frankfurter Tagung zu der Über-
zeugung gelangt, daß der Einfuß des Werk-
bundes dauernd steigt und heute schon so ge-
festigt ist, daß er durch keinerlei Gegnerschaft
mehr aufgehalten werden kann. Darum hat
es der Werkbund auch nicht mehr notwendig,

mit Kriegsgeschrei zu stürmen; er kann fein
ruhig und würdig seinen wohlbereiteten Weg
gehen. Der Sieg des Werkbundgedankens ist
bereits selbstverständlich geworden.

Zunächst sei berichtet, welcher Art der
Werkbund direkt in die Praxis der Arbeit ein-
greift und fernerhin einzugreifen gedenkt. Vor
allem galt es, Einfluß auf die Ausstellungen
des kommenden Jahres zu gewinnen. Be-
sonders die Brüssler Weltausstellung mußte
nach jeder Richtung so gesichert werden, daß
von ihr wirklich eine Vorführung des Besten,
was Deutschland hervorbringt, zu erwarten
ist. Man darf sagen, daß es dem Werkbund
gelang, alle notwendigen Vorsichtsmaßregeln
und Anspornungen, die ein treffliches Gelingen
dieser wichtigen Parade deutscher Arbeit ga-
rantieren, wirksam zu machen. Es braucht
nicht gesagt zu werden, daß nun auch jedes
Mitglied das Seine tun wird, um dem Erfolge
von St. Louis einen größeren zu gesellen.
Eine kleinere, aber nicht unwichtige Aus-
stellung wird 1910 sich in Berlin auftun. Die
Ton-, Zement- und Kalk-Industrie will eine
Überschau ihrer Produkte geben. Der D.W. B.
hat veranlaßt, daß eine Abteilung für vorbild-
liche Behandlung dieser Materiale eingerichtet
wird. Man weiß zur Genüge, was alles für
Kuriositäten aus Ton, Zement und Kalk auf-
geputzt werden können. Es wird gewiß sehr
nützlich sein, unter den mannigfachen Irr-
tümern und gequälten Surrogaten Dinge zu
sehen, für die das leicht zu mißbrauchende
Material ordentlich und geschmackvoll ange-
wendet wurde. Eine dritte zu erwartende
Ausstellung will der Werkbund selbst in Frank-
furt a. M. veranstalten. Freilich, das Terrain
dieser reichen Stadt ist schwierig zu beackern.
So konnte denn die hierfür eingesetzte Kom-
mission noch nichts Positives berichten ; doch
scheinen die Aussichten immerhin so günstig,
daß an einem Zustandekommen dieses sicher-
lich sehr wichtigen Unternehmen kaum ge-
zweifelt werden kann. — Bei all diesen Aus-
stellungsabsichten ist der Werkbund in hohem
Maße auf das Verständnis und das Entgegen-
kommen der Fabrikanten und der Kaufleute
angewiesen. Er hat dies längst eingesehen;
er hat eingesehen, daß mit reinem Theoreti-
sieren und mit Künstlerideologie nichts zu er-

1910. H. 8.

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