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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Breuer, Robert: Die Hingabe an das Kunstwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0198
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Robert Breuer—Berlin :

PROFESSOR BRUNO PAUL-BERLIN.

Haus Westend. Herrn-Arbeitszimmer.

DIE HINGABE AN DAS KUNSTWERK.

Nicht jedermann kann Kunst genießen, noch
gar sie verstehen. Damit sei niemandem
ein Makel angeheftet. Es gibt vielerlei Gaben.
Wie sich wohl Menschen finden, die ohne
Religion fertig werden, mangelt es auch nicht
an solchen, wegen derer nie ein Pinselstrich, ein
Meißelstoß hätte geführt zu werden brauchen.
„Es fehlt das Kunstorgan" (Bayersdorfer). Vom
Standpunkt der Gattung genau so wie religiöser
Nihilismus eine Unvollkommenheit, aber den
ökonomischen, politischen und gesellschaft-
lichen Wert des Individuums nicht herabmin-
dernd. Wir werden diese Leute beklagen und
höflich bitten, uns ihrerseits nicht toll oder voll

süßen Weines zu schelten. Vielleicht versuchen
wir es auch, sie zu bekehren; bei weitaus den
meisten Kunstspöttern und Ignoranten handelt
es sich nur um einen tiefen Schlaf, um Vernach-
lässigung der für das Ästhetische reservierten
Hirnkammer. Darum wollen wir nicht in miß-
verstandenem Übermenschentum auf jene her-
absehen, sondern liebevoll zu ihnen sprechen:
tuet eure Augen auf, die Schönheit wandelt
vorüber. — Weit unerträglicher ist die „Eitel-
keit der gebildeten Masse" (Floerke). Weil's
zum guten Ton und zum Salongespräch gehört,
pürscht man durch die Ausstellungen, plätschert
höchst possierlich in unklaren Gefühlen und

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