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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Schwenzer, G. W.: Die Grenzen der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0245
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DIE GRENZEN DER MALEREI.

Die Worte unseres Altmeisters Goethe, „In
der Beschränkung zeigt sich der Meister",
haben für die Kunst eminente Gültigkeit. Daß
man aber die Wahrheit eines solchen Aus-
spruches im allgemeinen wohl anerkennen
kann, ohne ihr im besondern Geltung zu ge-
ben, zeigt wieder jene Malerei, welche ihre
eigenen Grenzen überschreitet und mehr aus-
drücken möchte, als ihre Mittel gestatten.

Wenn wir die Frage ganz allgemein stellen,
welches die Sphäre der Kunst sei, so lautet
die Antwort: alles, was von der sinnlichen
Anschauung wahrgenommen wird. In dieses
gewaltige Gebiet, welches die ganze Welt als
intuitive Vorstellung ist, teilen sich alle Künste,
weil keine Kunst für sich allein imstande ist,
die Totalität ihres Objektes zur Darstellung
zu bringen. Jede einzelne Kunst wird die eine
oder die andere der wesentlichen Erscheinungs-
formen ihres Objektes vernachlässigen oder
ganz ausschalten müssen, entsprechend der
Besonderheit ihrer Mittel.

Dieses Fehlen wird durchaus nicht als Mangel
empfunden, weil es bei einem Kunstwerke gar
nicht darauf ankommt, diese Totalität des Ob-
jektes erschöpfend darzustellen, sondern die
Anschauung auf ganz bestimmte Erscheinungs-
formen zu konzentrieren. Niemand wird beim
Anblick gemalter Blumen Ansprüche an den
Duft derselben erheben, ebenso wenig wie wir

von gemaltem Feuer oder Sonnenlicht die Wir-
kung der Wärme fordern. Diese Konzentration
des Ausdrucks auf einzelne Erscheinungsfor-
men entspricht auch der Beschaffenheit unseres
Vorstellungsvermögens, dem nur eine deut-
liche Vorstellung auf ein Mal gegenwärtig
sein kann.

Da nun alle Künste ihre gemeinsame Quelle
in dem äußern und innern Sinne, der Raum-
und Zeitanschauung haben, so besteht zwischen
allen ein Verwandtschaftsverhältnis, das die
Gefahr in sich birgt, daß die Grenze, die jede
von der andern trennt, leicht verwischt wird.

Die ureigentliche Aufgabe der Malerei ist
die Auffassung und Darstellung der materiellen
Erscheinung im Räume in ihrer Reaktion gegen
das Licht. Diese Aufgabe ist begründet in
ihren Mitteln. Sie ist die Kunst des Auges,
das die farbige Erscheinung im Räume, mittels
des Verstandes, im Hirnbilde erfaßt und auf
die Fläche projiziert.

Wenn ein Maler sich darauf beschränkt,
diese Aufgabe zu erfüllen, ohne sich um
die sonstigen Relationen des darzustellenden
Gegenstandes im geringsten zu bekümmern,
so läßt sich dagegen nichts einwenden. Er ist
auf seinem eigenen Grund und Boden und
über jeden Vorwurf erhaben. Er ist „Nur"-
maler. Schlimmertaber steht die Sache, wenn
er sich den Luxus [literarischer Ambitionen

1910. IV. I.
 
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