BRAVOUR.
Eine Kunstkritik, in der das Wort Bravour
nicht vorkommt, zählt heute zu den Selten-
heiten. Die Maler sind Herrenmenschen ge-
worden, die mit wahrhaft amerikanischer Rück-
sichtslosigkeit über die Ansprüche des Objektes
hinweggehen. „Schmiß", Schwung und hoch-
fahrende Fixigkeit sind die Ziele ihres Strebens.
Unsere Kunst-Ausstellungen sind die Schau-
plätze großer Sklavenauf stände des Subjekts
gegen — ja, wogegen? Ich bin freilich nicht
der Meinung, es sei Aufgabe der Malerei, die
Gegenstände möglichst getreu und erkennbar
abzukonterfeien, beileibe nicht. Wohl aber
hat der Maler die Dinge mit sinnlicher Kraft
und seelischer Vertiefung anzuschauen, bis er
Achtung gewinnt vor dem Reichtum der Er-
scheinung. Die Welt ist reich, sie ist heute
noch ein üppiges Paradies für Augen, die dank-
bar und wohlgeschult sind. Aber statt des
unermeßlichen Reichtums der Welt finden wir
in unseren Bilderpalästen nur die Eitelkeit des
selbstsüchtigen Subjektes, das auf die Dinge
gar nicht eingeht, sondern nur sich selbst zu
verherrlichen strebt. Ich verstehe unter den
„Dingen" nicht die einzelnen Objekte, sondern
ich verstehe darunter die Fülle der sinnlichen
Eindrücke, die uns die Welt liefert. Aber
wenn man unsere großen Kunst-Ausstellungen
durchwandert, könnte man auf den Gedanken
kommen, die Welt sei ein großes Armenhaus,
vom Herrgott sehr spärlich und knickerig aus-
gestattet, aus schlechtem Stoff und mit lässiger
Flüchtigkeit gearbeitet. Ganz naiv enttäuscht
steht man manchmal vor einer dieser frech und
mit ungeheurer Bravour gemalten Landschaften
und denkt: Mein Gott, wie wenig hat der
Maler da von der sinnlichen Fülle des Objektes
zu retten verstanden! Freilich, freilich, ich
ERNST KROPP MÜNCHEN.
»Schwatzerei«.
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Eine Kunstkritik, in der das Wort Bravour
nicht vorkommt, zählt heute zu den Selten-
heiten. Die Maler sind Herrenmenschen ge-
worden, die mit wahrhaft amerikanischer Rück-
sichtslosigkeit über die Ansprüche des Objektes
hinweggehen. „Schmiß", Schwung und hoch-
fahrende Fixigkeit sind die Ziele ihres Strebens.
Unsere Kunst-Ausstellungen sind die Schau-
plätze großer Sklavenauf stände des Subjekts
gegen — ja, wogegen? Ich bin freilich nicht
der Meinung, es sei Aufgabe der Malerei, die
Gegenstände möglichst getreu und erkennbar
abzukonterfeien, beileibe nicht. Wohl aber
hat der Maler die Dinge mit sinnlicher Kraft
und seelischer Vertiefung anzuschauen, bis er
Achtung gewinnt vor dem Reichtum der Er-
scheinung. Die Welt ist reich, sie ist heute
noch ein üppiges Paradies für Augen, die dank-
bar und wohlgeschult sind. Aber statt des
unermeßlichen Reichtums der Welt finden wir
in unseren Bilderpalästen nur die Eitelkeit des
selbstsüchtigen Subjektes, das auf die Dinge
gar nicht eingeht, sondern nur sich selbst zu
verherrlichen strebt. Ich verstehe unter den
„Dingen" nicht die einzelnen Objekte, sondern
ich verstehe darunter die Fülle der sinnlichen
Eindrücke, die uns die Welt liefert. Aber
wenn man unsere großen Kunst-Ausstellungen
durchwandert, könnte man auf den Gedanken
kommen, die Welt sei ein großes Armenhaus,
vom Herrgott sehr spärlich und knickerig aus-
gestattet, aus schlechtem Stoff und mit lässiger
Flüchtigkeit gearbeitet. Ganz naiv enttäuscht
steht man manchmal vor einer dieser frech und
mit ungeheurer Bravour gemalten Landschaften
und denkt: Mein Gott, wie wenig hat der
Maler da von der sinnlichen Fülle des Objektes
zu retten verstanden! Freilich, freilich, ich
ERNST KROPP MÜNCHEN.
»Schwatzerei«.
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