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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0206
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KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.

OKTOBER 1911.

BERLIN. Die Sensationen, oder was man dafür
hält, werden wie üblich erst für den Berliner
Winter vorbereitet. Einiges Interessante brachte
aber auch schon der September. Bei Cassirer
sah man eine kleine Kollektion Pissaro: ein paar
sehr schöne frühe Stücke; der Rest aus der Spät-
zeit des Künstlers, jene mondänen, femininen Kom-
positionen von bläulichen und rosa Tönen, die oft
nicht anders als „hübsch" genannt werden können.
Dann einige bekannte Arbeiten von Liebermann,
Corinth, Sievogt, Brockhusen, Beckmann, Rösler. —
Qurlitt hatte während des Sommers eine Auswahl
der Renommierstücke zusammengestellt: vorzügliche
Arbeiten älterer Franzosen, dann Böcklin, Lieber-
mann, Trübner u. a. Eigentlich Neues brachten
diesmal Keller & Reiner: die erste Ausstellung des
„Künstlerbundes für Glasmalerei und Glasmosaik",
dem u. a. Peter Behrens, Bruno Paul, Hans Looschen,
August Unger, Cesar Klein, Max Pechstein an-
gehören und der als ausführende Anstalten die
Werkstätten für Glasmalerei und Glasmosaik von
Gottfried Heinersdorff, Berlin, und die Deutsche
ülasmosaikanstalt von Puhl & Wagner in Rixdorf
angegliedert sind. Was man zeigt, ist nicht gerade
überwältigend, aber doch ein Versprechen. —
Ludwig Justi, der Direktor der Nationalgalerie,
lud zu einer Besichtigung seiner Neuerwer-
bungen der Jahre 1910 und 1911 in die Säle
der Königlichen Akademie der Künste ein. —
Die Ausstellung, sehr geschickt aufgemacht, wird
den beabsichtigten Eindruck auf das Publikum nicht
verfehlen. Im ersten Saal die großen Schinkelschen
Landschaften, die den Wandschmuck eines Zimmers
bildeten, dem Staat schon seit 1869 gehören, aber
an das Oberpräsidium von Breslau abgegeben waren.
Justi hat sie zurückgeholt und wird sie in einem
besonderen Raum seiner Galerie vereinigen. Das
ist sein Verdienst. Im übrigen bezeugen die An-
käufe und Erwerbungen das sichere Qualitätsgefühl
Justis; man sieht einige sehr schöne Bilder Böcklins,
darunter das „Meeresidyll" und den enkaustischen
Versuch, das Bildnis der Frau Angela Böcklin.
Weiterhin Feuerbachs „Mirjam", Trübners Porträt
des Bürgermeisters Hofmeister, den ersten Mun-
kascy der Galerie „das Zigeunerlager", einen reizen-
den frühen Thoma „Laufenburg", Menzels „Nach
dem Fackelzug" und andere bekannte Stücke mehr.
Einige Arbeiten Caspar David Friedrichs (auch Zeich-
nungen), Rayskis, Schirmers, Waldmüllers usw.
lassen erkennen, daß Justis Bestreben darauf ge-
richtet war, jene Lücken auszufüllen, die im Bilde
der Malerei des 19. Jahrhunderts am fühlbarsten
sich bemerkbar machten. bender.

DAS STADT-THEATER IN BREMERHAVEN.
Seit dem Bau des Hebbeltheaters gehört
Oscar Kaufmann zu denen, die berufen scheinen,
der komplizierten Notwendigkeit eines modernen
Bühnenhauses die architektonische Form zu ge-
winnen. Durch das Stadttheater von Bremerhaven
gab er solchem Hoffen eine neue Bestätigung.
Mit charaktervoller Konsequenz hat er den Typus
des Hebbeltheaters weiter entwickelt, hat ihn von
offenbaren Mängeln gereinigt und der Reife schön
entgegengesteigert. Das läßt sich sofort und mit
Leichtigkeit feststellen. Gleich die Fassade zeigt
eine erfreuliche Hinkehr zum Pathos der Ruhe;
alles Absichtliche wurde gemieden und das Selbst-
verständliche vom Überflüssigen möglichst ent-
klärt. Ein halbes Oval wölbt sich hervor; durch
straffe Pfeiler, durch die Türen im Erdgeschoß und
die darüber gelegenen hochstoßenden Fenster wird
die Raumwirkung dieses Exponenten plastisch und
kristallklar. Man fühlt die Einladung zum Fest,
fühlt das „Hereinspaziert!" Als ein Symbol der
Geselligkeit empfindet man das Foyer, das des
Abends gleich einer monumentalen, mancherlei
Geheimnis verheißenden Laterne die Vorübergehen-
den ladet, sie begierig macht, zu sehen, was da
hinter den schlanken, matten Scheiben geschehen
mag. Der Kassenraum, in den von außen fünf Türen
führen, empfing die Form eines halben Ovals. Ein
dahinterliegender, rechteckiger Raum dient als
Windfang und trennt den Vorraum vom Parterre-
Umgang. Dieser große Windfang, an beiden Längs-
seiten mit Türen dicht beseßt, ist eine sehr glück-
liche Lösung und beweist, daß der Architekt in der
Behandlung des Grundrisses viel hinzugelernt hat.

Seine spezifische Leidenschaft aber entfaltete
Kaufmann bei der Innenausstattung. Der Zuschauer-
raum empfing wiederum jenes blonde Leuchten,
das sich am Hebbeltheater so trefflich bewährte.
Doch ist die Raumwirkung eine wesentliche reinere
und entschiedenere. Eine sakrale Heiterkeit, ein
sinnenlustiger Komfort umfängt uns. Mancherlei
Farbenspiele bekamen ihren klug erwogenen Plaß.
Das Proszenium strahlt in feurigem Polisander,
die Bühnenöffnung wird von Ebenholz gerahmt;
der Vorhang schwelgt im warmen Purpur. Keck
und grün fanfaren die seidenen Vorhänge der Logen
von der Hinterwand des Ranges. An der Decke gibt
es Bilder zu schauen, und ringsherum büßen und
kreisen Intarsien. Bei diesem Konzertieren aller
raumverschönenden Künste, das sich im Foyer
zu besonders delikaten Effekten verwebt, wurde
Kaufmann durch den Bildhauer Feuerhahn und den
Maler Unger trefflich unterstüßt. robert breuer.

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