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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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Weichardt, Carl: Drama und Dekoration
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https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0020

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»MONTE
ROSSO«

DRAMA UND DEKORATION.

VON DR. CARL WEICHARDT FRANKFURT A. M.

Drama ist Handlung, ist Bewegung; Deko-
ration ist malerische Verzierung, ist Aus-
stattung und ein Ruhendes also. Wenn der
hamburgische Dramaturg Lessing in seinen
Theaterkritiken nicht die „Verzierungen" nur
ein oder das andere Mal mit ganz flüchtigem
Blicke gestreift hätte, würde er, der strenge,
allzustrenge Scheider der Grenzen von Malerei
und Poesie, gewiß den heimlichen Zwiespalt
zwischen Dekoration und Drama betont und
die Schwierigkeit, beide zu einem reinen Ak-
korde zusammenklingen zu lassen, sattsam ge-
würdigt haben. Man spricht gerne von dem
dekorativen Rahmen, den der Theatermaler
einem Drama zu geben habe, und stellt die
Aufgabe damit leichter hin, als sie ist; es kann
nicht gelten, eine Kunst, deren Wesen die Be-
wegung, eine Folge von Gesten und Worten ist,
in einen ruhenden festen Rahmen zu stellen —
denn dieser Rahmen, soweit er vonnöten ist,
bietet sich bereits in dem Proszenium —. Ein
tieferes Problem tut sich vielmehr auf; es gilt,
den Weg zu finden, wie das dekorative Element
zu entmaterialisieren und in den dramatischen
Fluß der Bewegungen hineinzuziehen sei.....

Der Vorhang steigt, die ersten Gesten be-
leben den Raum, die ersten Worte reihen sich
zu Sätzen, und schon eröffnen sich uns in rascher
Folge Aussichten in Vergangenes und Zukünf-
tiges; Gegensätze wachsen herauf, Leiden-
schaften streiten für und wider, über Kampf-
bereite fällt der Vorhang, und hebt er sich über
dem zweiten Akte, so sind wir schon mitten
drin im Gemenge von Gut und Böse, von Lust
und Leid. Zehnfach schnellere Schwingen hat
die Zeit auf der Bühne, und alles im Drama ist
im Fluß, — soll allein die Dekoration dastehen
in der ruhigen Alltäglichkeit der gewohnten
Raumverhältnisse, beschwert mit allen Bleige-
wichten der Realität oder gebaut wie für die
Ewigkeit? Und sollten nicht selbst Hain und
Tempel der Iphigenie, wenn sie gleich das ganze
Drama durch unverrückt auf der Bühne bleiben,
irgendwie als gleichsam mitspielende Symbole
den Wechsel der Geschehnisse, den Wandel
der Gefühle widerspiegeln können?

Naturalismus und Historismus haben lange
einen Stil in der Bühnendekoration nicht auf-
kommen lassen. Heute wissen wir, daß es einen
reinen Naturalismus in den redenden so wenig

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