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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Osthaus, Karl Ernst: Der Fall Hodler
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0204

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DER FALL HODLER.

Ferdinand HODLER hat seinen Namen unter
einen lügenhaften Protest gesetzt und sich
damit den haßerfüllten Feinden Deutschlands an-
geschlossen, die sich aus Genf gegen die angeb-
liche „deutsche Barbarei" (!) in Reims wendeten.
Der Schritt hat scharfe Äußerungen und Maß-
nahmen gegen den Künstler gezeitigt: Die Sezes-
sionen Berlin, München, Dresden haben Hodler
ausgestoßen und die Wiener Künstler haben
ihr Einverständnis damit bekundet. Von vielen
Seiten wurde in Zeitungen und Zeitschriften die
Handlungsweise des Künstlers aufs heftigste
bekämpft. So schrieb Karl Ernst OSTHAUS—
Hagen einen „offenen Brief", den Hodler be-
antwortete. Die wichtigsten Sätze des Briefes
sowie die Antwort seien nachstehend wieder-
gegeben. Osthaus schrieb:

„Vor kurzem las ich mit einigem Erstaunen, dag
Sie, ein Meister deutscher Kunst, wenn auch nicht
deutscher Reichsbürger, ein Manifest gegen das
„ungerechtfertigte Attentat der Vernichtung des
Domes von Reims" unterschrieben haben. . . .

Sie kennen doch Reims, Ferdinand Hodler? Es
gibt nämlich Leute, die jetjt jammern und stöhnen
und dabei deutlich erkennen lassen, dag, solange
er unversehrt dastand, der Dom von Reims ein
ungelesenes Buch für sie war. Von Ihnen aber wäre
es unrecht, dies anzunehmen. Sie werden Stunden
tiefster Weltentrückung in jener zauberschönen Halle
durchlebt haben und empfinden es tief, dag mit den
Fenstern, deren mystische Glut den Raum durch-
flammte, die Kathedrale von Reims, die uns teuer
war, wirklich zerstört ist.

Wie wir, verehrter Meister. Sie dürfen es mir
glauben, dag die Beschiegung von Reims Zehn-
tausenden von Deutschen ans Herz griff, wie eine
verlorene Schlacht.

Natürlich können Sie in deutschen Blättern lesen,
die Kathedrale sei nicht eines deutschen Soldaten
Leben wert. Aber wer schreibt dies? Die richtige
Antwort hat jener preugische Regierungsrat ge-
geben, der beim Brande von Löwen das gefährdete
Abendmahl von Dirck Bouts mit Lebensgefahr aus
der einstürzenden Peterskirche trug. Glauben Sie,
dag nicht Tausende von deutschen Soldaten wie er
gehandelt hätten? — Und es ist auch bekannt ge-
worden, dag vor Reims ein General kommandierte,
der noch wenige Monate zuvor die Kathedrale als
Reisender besucht hatte und dessen Herz bei dem
Gedanken blutete, dag er berufen sein sollte, die
Hand zu ihrer Zerstörung zu bieten.

Und dennoch glauben Sie, die Beschiegung sei
ein Akt der Barbarei gewesen? So etwa, wie

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wenn ein Kind der Fliege, die es fing, gedanken-
los die Beine ausrupft? Wie anders soll man es
verstehen, dag Sie die Beschiegung für „ungerecht-
fertigt" halten?

Wer hat denn diese Beschiegung erzwungen?
Wer hat Reims zur Festung gemacht, wer Batterien
im Schatten des Domes aufgepflanzt und seine Türme
zum militärischen Beobachtungsposten entweiht?!

Hiergegen finden Sie nichts zu erinnern? Das
Volk, dessen Hut ein solches Heiligtum anvertraut
ist, darf es migbrauchen, darf damit jonglieren wie
ein Zirkuskünstler, der mit kostbaren Meigener
Tellern ein verwegenes Kunststück produziert?
Aber wir, die wir auf Tod und Leben unser Vater-
land verteidigen, sollen uns schutjlos dem Feuer
jener Batterien preisgeben und dem Posten einen
Freiplatj verstatten, der von hoher Fiale die ver-
derbenspeienden Rohre gegen uns lenkt?

Ist das die Meinung, Ferdinand Hodler? . . . .

Wir können es nicht ändern Vollstrecker eines
unvermeidlichen Schicksals zu sein.

Was, Hodler, ist der Krieg? Sie haben uns
erst vor wenigen Jahren zwei Bilder geschenkt, die
eine Antwort auf diese Frage zu geben schienen.
Das eine hängt zu Jena und stellt den Aufbruch
der Studenten zum Freiheitskampfe dar. Es lägt
schon ahnen, was das andere mit grandiosem Pa-
thos ausspricht. Sie malten es ins Rathaus von
Hannover; es stellt eine Szene aus der Stadtge-
schichte dar, aber ich möchte es nur den „Schwur"
nennen... Tausend Arme sind von einer Empfindung
emporgerissen und suchen ihre Verknüpfung über
den Sternen. Erstickt ist alles Eigenleben, verzehrt
von den lodernden Flammen einer grogen gemein-
samen Hingabe. An was ? Wir fragen nicht danach.
Denn nicht die Sache ist es, die heiligt. Im Opfer
liegt der Keim alles Grogen. Jede Sache, von ihm ge-
tragen, schreitet heilig und siegreich durch die Welt.

Und nun begibt es sich, dag das, was Sie malend
gestalteten, in unserem Lande Wirklichkeit wird.
Von allen Seiten überfallen, erhebt sich das Volk,
erhebt sich wie ein Mann, um das Heiligtum des
deutschen Herdes und die Werkstatt deutschen
Geistes zu beschirmen. Es haftet keine Niedrigkeit
an diesem Kriege. Wir kämpfen ohne Hag, ver-
achtungsvoll nur gegen Englands Krämerpolitik,
und tragen dieses Schicksal, weil wir müssen.

Verstehen Sie, Hodler, diese Sprache nicht?
Wofür war dann Ihr Bild Symbol? Sie schulden
uns eine Antwort auf diese Frage.

Oder glauben Sie, der Krieg sei ein heiteres
Spiel, auf der Weltbühne abgehandelt, um mit dem
Beifall mügiger Zuschauer zu buhlen? ....
 
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