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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Rothe, Richard: Die Kinder und der Krieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0477

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AUSSTELLUNG: »WIENER KINDERZEICHNUNGEN« »DIE DEUTSCHEN TREIBEN DTE RUSSEN ÜBER DIE WEICHSEL«

DIE KINDER UND DER KRIEG.

VON RICHARD ROTHE—WIEN.

Unter diesem Titel veranstalteten mehrere
Mitglieder der aus Künstlern und Lehrern
zusammengesetzten Vereinigung „Kunst und
Schule " im Kunstsalon Heller in Wien eine Aus-
stellung von Schülerzeichnungen über den Krieg.

Die Idee, Kinder den Krieg darstellen zu
lassen, so wie er sich in ihrer Vorstellung bildet,
unbeeinflußt durch den Zwang des Lehrers, fand
von Seiten der Presse und vieler maßgebender
Persönlichkeiten die weitgehendste Anerken-
nung. Diese Veranstaltung wurde geradezu als
Überraschung erklärt und Künstler und Kunst-
forscher waren einig in der Versicherung, noch
niemals so viele gute Arbeiten in einer Aus-
stellung nebeneinander gesehen zu haben.

Der erste Eindruck, den man von den ausge-
stellten Arbeiten empfing, war natürliche Frische,
Unbefangenheit und überzeugende Ehrlichkeit.
Mit wahrer Begeisterung haben die Kinder in
diesen Zeichnungen ihre Vorstellungen vom
Kriege niedergelegt und damit Urkunden von
Denkmalswert geschaffen, welche es möglich ma-
chen, tiefere Blicke in die kindliche Seele zutun.

Die hier wiedergegebenen Arbeiten entstam-
men alle einer Bürgerschule eines Wiener Vorort-
bezirkes und lassen deutlich erkennen, mit
welcher Knappheit und Sparsamkeit die Knaben
in der Verwendung ihrer Ausdrucksmittel ar-
beiten. Sie verstehen es mit Wenigem Vieles
zu sagen. Die Arbeiten zeigen keinerlei Scha-
blonenhaftigkeit, lassen im Gegenteil Eigenarten
erkennen, die innerhalb des Kinderstiles einen
persönlichen Ausdruck aufweisen. Gewiß sind
auch Talente unter ihnen, aber was hier her-
vorgehoben werden soll, ist die allgemein sich
äußernde Befruchtung der Phantasie.

Es hat eine Zeit gegeben, in der man haupt-
sächlich der Erziehung des Verstandes das Wort
geredet hat. Aber nach und nach hat man ein-
sehen gelernt, daß auch Gemüt und Phantasie
nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.

Darin sind uns die Kinder weit voraus. Ihr
ganzes Fühlen und Drängen ist so wie das un-
sere auf den Krieg eingestellt, nur äußert es
sich viel freier, ungehemmter und oft auch
wahrer und richtiger als bei uns Erwachsenen.

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