Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
48

Des Altgesellen Erinnerungen und Einfälle.

ihr aber wissen wollt, wie meines Großvaters Mutterschwester
die Stadt gekannt hat, so geht zum Herrn Pfarrer. Im Wohn-
zinimer hängt an der Wand ein sauberer Aufriß vom Jahr
1744, da schaut der Münsterthurm über lauter steinerne Ba-
steien, und dem Schloßberg läßt sich anmerkcn, weßhalb er
Schloßberg heißt. Jetzt geht's damit wie mit den Eggen-
steiner Apfelkücheln; man sagt nur so dazu, denn Aepfel sind
keine drin. — Am Schwabenthor schaute der dicke Zöllner
durchs Schieberle, seine rothe Nase funkelte wie der Morgen-
stern, wenn er den heiligen drei Königen voranleuchtet. Der
Steinbacher, als ein gereister Bursch, ließ sich nicht lang erst
ausfragen, sondern gab fein Bescheid und wollte sein Ränzel
oblegen. Es war nämlich an den meisten Orten herkömm-
lich, daß der Geselle erst das Zeichen auf der Herberge holen
mußte, eh er sein Felleisen in die Stadt tragen durfte.

„Behalt' dein Bündel, Gesellschaft," sagte der Zöllnern
„hier brauchst du nur deine Kundschaft aufzuweiscn; wir
können, Gott sei Tank! Geschriebenes lesen. So; alles in
Ordnung. Tritt in des Himmels Namen ein, und merke
fein auf die Wahrzeichen: ein Kirchthurm ohne Dach, in
jeder Gass' ein Bach, auf jedem Thor 'ne Uhr, und ein Pa-
cem an jeder Schnur. Und wenn dir Sonntags einmal zu
wohl ist in deiner Haut, so brauchst du das vierte Wahrzeichen
nur falsch zu berichten. Gott befohlen, Gesellschaft!"

„Schönen Tank für des Herrn Thorschreibers guten
Rath," versetzte Nepomuck: „aber ich hab's allweil so ge-
halten: zu Weilheim frag' ich nach dem Villinger Speian*),
zu Billingen erzähl' ich Weilheimer Stückle, und zu Eber-
steinburg nenn' ich keinen einen Buhvogel."

Somit ging er der Herberg', zu.

! Als ein wohlgeschliffener Knabe klopfte
er fein bescheiden an die Stubenthür,
und sagte auf der Schwelle:

„Gott zum Gruß und guten Tag,
haben nicht die Küfcrgesellen ihre Her-
berg' hier?"

„Alleweil," antwortete der Meister,
der grad selber daheim war.

Ter Steinbacher hob wieder an:

„Glück herein, Gott ehr' ein ehrsam
Hantwerk, Meister und Gesellen. Wellt'
den Herrn Vater angesprochen haben
von wegen des Handwerks, ob er mich
und mein Ränzel heut' woll' Herbergen,
mich auf die Bank, das Felleisen unter
die Bank? Ich bitt', der Herr Vater
wolle mir nicht den Stuhl vor die
! Thür' setzen; will mich auch halten
i nach Handwerksbrauch, wie's einem
! ehrlichen Gesellen zukommt."

Worauf der Meister: „Gottwilche **),
mein frommer Sohn, tritt nur herein."

*) Spion.

**) Gottwillkommen (allemannisch).

Also that der Steinbacher. Nun weiß ich nicht, ob
außer der Frau Mutter auch ncch Bruder oder Schwester in der
Stube waren; sind sie dagewesen, so hat der Gesell ihnen
gewiß die Zeit geboten. Wollt ihr wetten? Es gilt eine
Maß vom Federweißen. Daß ich's aber recht sage: der Stein-
bacher schob sein Ränzel unter die Bank zunächst der Thür' und
setzte sich nieder, um zu warten bis es Essenszeit sein würde.
Merk: die Herberg' war kein freioffenes Wirthshaus, wie jetzt,
wo jeder für sein Geld klopft und Pocht; das Handwerk be-
zahlte den Schlafgroschen und einen Zehrpfennig, und wollte
der Herr Vater einem etwas Warmes zu effen geben, so war's
sein guter Wille. Ein besonderes Würstlein ist da keineni
gebraten worden, der Gesell aß eben am Tisch mit den andern,
und wenn er Geld hatte, so zahlte er eine Maß Wein oder
Bier, je nach des Ortes Gelegenheit. Gut das! Mein
Muckele ließ sich nicht lumpen, sondern zog den Beutel, legte
einen blanken Zwölfer auf den Tisch und sagte dazu: „Mit
Gunst, Herr Vater, und wenn's dem Herrn Vater recht wär'.
so wollten wir das Kopfstückle mitsammen vertrinken."

„Mir ohne Leid," antwortete der Meister: „aber dem
Altgesellen wird's nicht lieb sein."

Nepomuck schaute um und um, wo denn der Altgesell sei?

„Ha, Narr," hob der Meister wieder an: „was suchst du
ihn hier? Er arbeitet beim Meister Hubbauer, aber alle Abend
stelzt er daher und fragt, ob keine Gesellschaft angekvmmen?"

«Fortsetzung folgt.)

Der wahre Mensch trinkt immerdar
So viele Tag es gibt im Jahr:
Dreihundert fünfundsechzig.

Und wenn das Jahr ein Schaltjahr ist
Trinkt er als Biedermann und Christ
Dreihundert sechsundsechzig.

I. S.

Redaktion: Caspar Braun und Fricdr. Schneider. — München, Verlag von Braun & Schneider.
Kgl Hof- und Universitäts-Buchdruckerei von Dr. C. Wolf & Sohn in München.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Trinkspruch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Signatur

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Bierkrug
Trinken
Fass
Hut <Motiv>
Künstler <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 10.1849, Nr. 222, S. 48
 
Annotationen