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Etwas ganz Besonderes.
Gräfin auch in das Nachbarreich gedrungen, und das
Bild des Mädchens hatte den Sohn des Königs dort
so sehr entflammt, daß er sofort auszog, um die
Isolde zu freien. Er wollte jedoch ihr Herz durch reine
Minne gewinnen und nicht um seines Standes willen
etwa den Sieg davontragen. Deshalb verkleidete er
sich als schlichter Knappe und zog als solcher auf dem
Burghof ein.
Wohl war er von dem aninuthigen Fräulein, als
er sie nun nüt Augen sah, so sehr entzückt, daß er
am Liebsten gleich seine Maske abgelegt, ihr Alles
gestanden und um sie gefreit hätte. Aber er bezwang
sich, that emsig den nieder» Knappendicnst und blickte
nur in stillen Mondnächten träumend zu ihrem Lenster
enipor — bis er glaubte, an ihrem Blick und Wort eine
wärmere Regung in ihrem ljcrzen erkannt zu haben.
Da trat er mit seiner Werbung vor. Indeß, ob-
wohl sie ihn in tiefer Seele heiß liebte, ließ es ihr lhoch-
muth nicht zu, den Knappen zu erhören, da sie so
viele Ritter fortgcwiescn. „Etwas ganz Besonderes"
mußte ja kommen, wenn sie ihr Jawort gab. So
wies sie denn seine Werbung mit keckem kjohne zurück,
und betrübt, aber doch erhobenen lsauptes wie ein
echter Königssohn zog er von dannen.
Sic jedoch raufte sich insgeheim in ihrem Kämmer-
lein, schluchzend vor kserzeleid, die paare, ohne aber
ihren pochmuth besiegen zu können.
wie sehr indessen grämte sie sich erst, als sic
erfuhr, daß der Abgcwiesenc, der als schlichter
Knappe gekommen, ein Königssohn war. Lange
konnte sie den nagenden Schmerz nicht überwinden. Schließlich aber fand
ihre Eitelkeit auch hier wieder eirie wohlgefällige Auslegung: So hnlll
sie denn also sogar einen Prinzen zurückgewiesenI Ja, ja, nur etwa-
ganz Besonderes laugte für sie l
weil ihr aber die Grillen und Schrullen doch nicht so ganz aus dem
Kopfe wollten, ritt sie mehr als sonst in die freie Natur hinaus. Dabei
fiel es ihr gar bald auf, daß ihr überall, wohin auch immer sic kaw,
ihres Vaters Schweineheerden begegneten, die den süßen Märchenduft m
Wald und Llur freilich nicht immer in angenehmer weise vergesse"
machten. Die peerden aber leitete ein junger hübscher pirte —
war sein Name. Ihn hatte des Grafen Verwalter kaum vor einige"
Wochen eingestellt. Der Bursche indessen war sofort, als er Fräulein Adel
gunde gesehen, von närrischer Liebe zu ihr entbrannt, die er sich
nicht zu bekeunen wagte.
Der Schweinehirt und die Grafentochter I l Das erschien ihm f°
ungeheuerlich, wie es ihr vorkam, als sie bemerkte, daß es nicht bloße>
Zufall war, sondern daß ihr der Knabe in dem Tauniel, der ihn umfing,
überall in den weg zog, wenn er dann auch kaum zu ihr aufzuschauen
wagte, sondern nur schüchtern grüßend mit seinen peerden vorübertrieb-
Sie war empört und wollte ihren Vater bitten, den Kühnen, de>
seine Augen zu ihr erhob, sofort wegzujagcn.
Plötzlich aber tauchte ein Gedanke in ihr auf.
Ja, ja — ganz gewiß — ein echter Schweinehirte würde sich nlC,
mals unterstanden haben, ihr auch nur auf hundert Ellen zu nahe»'
Jörgl war gar kein Schweinehirt — er war ein Prinz — cl"
verkappter Königssohn, wie jener einstige Traute! Ihr stolze-
perz jubelte auf bei dieser Erkenntniß. Also doch noch einmal Einer "
Einer, der etwas ganz Besonderes war!
Sic lebte sich immer mehr in diese Ueberzeugung hinein, suchte den
pirten öfter und öfter zu treffen, daß er rede, und als er seine Schüchtern-
heit gar nicht bezwingen konnte, trat sie eines Tages — das seidene
Tüchlein mit Lawendelöl an das Stumpfnäschen haltend — auf ihn 5"
und blickte ihn so freundlich an, daß er zitternd in die Kniee sank und
»ichts Anderes stammeln konnte als: ,,T) — o!" Sie aber hieß ihn auf-
Etwas ganz Besonderes.
Gräfin auch in das Nachbarreich gedrungen, und das
Bild des Mädchens hatte den Sohn des Königs dort
so sehr entflammt, daß er sofort auszog, um die
Isolde zu freien. Er wollte jedoch ihr Herz durch reine
Minne gewinnen und nicht um seines Standes willen
etwa den Sieg davontragen. Deshalb verkleidete er
sich als schlichter Knappe und zog als solcher auf dem
Burghof ein.
Wohl war er von dem aninuthigen Fräulein, als
er sie nun nüt Augen sah, so sehr entzückt, daß er
am Liebsten gleich seine Maske abgelegt, ihr Alles
gestanden und um sie gefreit hätte. Aber er bezwang
sich, that emsig den nieder» Knappendicnst und blickte
nur in stillen Mondnächten träumend zu ihrem Lenster
enipor — bis er glaubte, an ihrem Blick und Wort eine
wärmere Regung in ihrem ljcrzen erkannt zu haben.
Da trat er mit seiner Werbung vor. Indeß, ob-
wohl sie ihn in tiefer Seele heiß liebte, ließ es ihr lhoch-
muth nicht zu, den Knappen zu erhören, da sie so
viele Ritter fortgcwiescn. „Etwas ganz Besonderes"
mußte ja kommen, wenn sie ihr Jawort gab. So
wies sie denn seine Werbung mit keckem kjohne zurück,
und betrübt, aber doch erhobenen lsauptes wie ein
echter Königssohn zog er von dannen.
Sic jedoch raufte sich insgeheim in ihrem Kämmer-
lein, schluchzend vor kserzeleid, die paare, ohne aber
ihren pochmuth besiegen zu können.
wie sehr indessen grämte sie sich erst, als sic
erfuhr, daß der Abgcwiesenc, der als schlichter
Knappe gekommen, ein Königssohn war. Lange
konnte sie den nagenden Schmerz nicht überwinden. Schließlich aber fand
ihre Eitelkeit auch hier wieder eirie wohlgefällige Auslegung: So hnlll
sie denn also sogar einen Prinzen zurückgewiesenI Ja, ja, nur etwa-
ganz Besonderes laugte für sie l
weil ihr aber die Grillen und Schrullen doch nicht so ganz aus dem
Kopfe wollten, ritt sie mehr als sonst in die freie Natur hinaus. Dabei
fiel es ihr gar bald auf, daß ihr überall, wohin auch immer sic kaw,
ihres Vaters Schweineheerden begegneten, die den süßen Märchenduft m
Wald und Llur freilich nicht immer in angenehmer weise vergesse"
machten. Die peerden aber leitete ein junger hübscher pirte —
war sein Name. Ihn hatte des Grafen Verwalter kaum vor einige"
Wochen eingestellt. Der Bursche indessen war sofort, als er Fräulein Adel
gunde gesehen, von närrischer Liebe zu ihr entbrannt, die er sich
nicht zu bekeunen wagte.
Der Schweinehirt und die Grafentochter I l Das erschien ihm f°
ungeheuerlich, wie es ihr vorkam, als sie bemerkte, daß es nicht bloße>
Zufall war, sondern daß ihr der Knabe in dem Tauniel, der ihn umfing,
überall in den weg zog, wenn er dann auch kaum zu ihr aufzuschauen
wagte, sondern nur schüchtern grüßend mit seinen peerden vorübertrieb-
Sie war empört und wollte ihren Vater bitten, den Kühnen, de>
seine Augen zu ihr erhob, sofort wegzujagcn.
Plötzlich aber tauchte ein Gedanke in ihr auf.
Ja, ja — ganz gewiß — ein echter Schweinehirte würde sich nlC,
mals unterstanden haben, ihr auch nur auf hundert Ellen zu nahe»'
Jörgl war gar kein Schweinehirt — er war ein Prinz — cl"
verkappter Königssohn, wie jener einstige Traute! Ihr stolze-
perz jubelte auf bei dieser Erkenntniß. Also doch noch einmal Einer "
Einer, der etwas ganz Besonderes war!
Sic lebte sich immer mehr in diese Ueberzeugung hinein, suchte den
pirten öfter und öfter zu treffen, daß er rede, und als er seine Schüchtern-
heit gar nicht bezwingen konnte, trat sie eines Tages — das seidene
Tüchlein mit Lawendelöl an das Stumpfnäschen haltend — auf ihn 5"
und blickte ihn so freundlich an, daß er zitternd in die Kniee sank und
»ichts Anderes stammeln konnte als: ,,T) — o!" Sie aber hieß ihn auf-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Etwas ganz Besonderes"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 118.1903, Nr. 3019, S. 280
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg