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Die neue Melusine.

„Du Närrchen!" fiel er ihr in's Wort. „Das ist ja eben
mein. . ." Aber er vollendete doch nicht „mein dritter Wunsch".
Die jähe Angst in ihren Augen traf ihn so, daß er nur seuszend
hinzufügte: „Du kennst die Welt der Menschen nicht!"

„Rennst du denn die meine?" entgegnete sie, und nun kam
wieder die Erinnerung über ihn. Aber eine andere Erinnerung.
Und plötzlich neigte er sich so weit über das Schilf, als nur möglich
war, sah aber nicht die Fischschuppen, die er erwartete, sondern
die reizendsten menschlichen Füßchen.

Da schien sich das dichte hohe Grün zu teilen, die weißen
Arme umschlangen ihn und Melusinens Augen blickten so selig
zu ihm empor, wie ihm selber wieder zumut war. — „Du wirst
meine Welt ja nun kennen lernen", flüsterte sie. „Und kannst
mir so viel erzählen, daß ich auch die deine kennen lerne. Und
sprichst du den dritten Wunsch nicht ans, bis mir darüber einig
sind, dann wird uns das Glück des Lebens, die Liebe. . ."

Aber schon hatte er sie in seine Arme gezogen, und während
er seine Lippen auf die ihren preßte, versanken beide in der
dunklen Flut.

Da erlebte er nun gleich viel Wunderliches, aber das meiste
machte ihm nur Spaß und nichts störte ihn in dem Genuß seines
Glücks. Alle die Nickelmänner und Nickelweibchen begegneten

ihm nur mit einer Art freundlicher Neugierde, selbst ganz tückisch
aussehende kleine Molche und Ungeheuer mit Krebsscheren oder
Polypenarmen schienen Hochachtung oder doch Furcht vor ihm zu
empfinden, und seine Schwiegermutter, die nach unten zu noch ganz

Fisch mar — weshalb
sie einst ein inensch-
licher Geliebter sitzen
ließ — behandelte
ihn geradezu zärtlich.
Was itjm vorgesetzt
wurde, schmeckte ihm,
das Wasser brauchte
er nicht zu trinken,
er merkte gar nichts
davon, wie man auf
der Erde nichts von
der Luft merkt, und
als er dahinterkam,
daß dieses Dölklein

sich aus all' den kostbaren Perlen und Diamanten und den Feldern
voll Goldsands nicht mehr machte als aus deu bunten Farben und
den zierlichen Formen der Muscheln und Schneckenhäuser, stellte
er es sogar hoch über die Menschen.

Aber es dauerte nicht lange, und er fing an, die Angst Melu-
sinens zu begreifen. Und eines Tages sagte er finster: „Mir ist
wahrhaftig schon wie bei mir zu Hause. Als ob alle diese Molche
und Polypen und Krebse —“

Da löste es sich wie eine Last von Melusinens Brust, und
unter Tränen aufjubelnd fiel sie ihm um den Hals. „Endlich
Geliebterl" sagte sie. „Aber was heißt denn ,bei dir zu kaufe'?
Nur bei mir ist man immer zu Hause, weil bei uns immer alles
beim alten bleibt. Ihr habt doch jetzt Eisenbahnen und Autos!
Und perlen, Diamanten und Gold bedeuten bei euch so viel, daß
man den Molchen immer wieder aus dem weg gehen oder sie
sogar damit zähmen kann. Kehr' zurück mit mir zu den Menschen,
Geliebter I"

Und so kam es, daß der Jüngling eines Tages, als gerade
die Sonne wieder auf das Waldseelein schien, aus der Flut
emportauchte und an's User sprang. Dann wanderte er eilig
nach der Stadt, verkaufte ein paar der mitgenommenen Perlen
und Diamanten und kannte Kleider für Melusine, einen Bädeker
und das Reichskursbuch. Und schon mit dem nächsten Schnellzug
fuhren sie davon, um so glücklicher, als die argwöhnisch ge-
wordene Schwiegermutter ihnen zuletzt noch mit den Worten
entgegentrat: „Melusine bleibt hier oder ihr nehmt mich initl"
und nur der Umstand sie rettete, daß er ja den dritten Wunsch
noch frei hatte. <x,nil peschkau.

. Herr (zum Freunde, der ini Gebirge war): „Und da hast Du
nicht einmal einen Sonnenaufgang dort geseh'n?!"

Freund: „Da hatte ich Pech! Stand so zeitig uff, lauerte
egal, uff emal war's taghell. . war 's Luderchen hinter meinem
Rücken nffgegangen!"

—Dom Leben. —

Einer, dem viel Ungemach gegeben.

Ist vielleicht im Rechte, wenn er spricht:

„Ach, die Menschen lieben wohl das Leben,

Doch das Leben liebt die Menschen nicht!"

, Alb. Roüerich.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die neue Melusine"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Storch, Carl
Entstehungsdatum
um 1913
Entstehungsdatum (normiert)
1908 - 1918
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 139.1913, Nr. 3562, S. 212

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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