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Zwei Schätze,

auf deinem Kämmerchen, du hast der Ruhe nöthig nach der
Aufregung dieses traurigen Morgens,"

„Nicht mehr, als Ihr sie bedürfet, Vater," antwortete die
Jungfrau und legte den schöngeformten Arm um den Hals
des Greises. Mit inniger Zärtlichkeit betrachtete der Vater
seine Tochter und die Gestalt ihrer längst verstorbenen Mutter
schien vor seinen Augen zu stehen. Es war derselbe junonische
Wuchs, der auch sie vor Vielen ihres Geschlechtes auszeichnete,
es waren dieselben braunen Sterne in dem reinen Oval ihres
Gesichtes, das ihn vor Jahrzehnten bezaubert hatte, die dunkeln
Flechten ihres langen Seidenhaares hingen wie einst bei der
Dahingeschiedenen, über den züchtig verhüllten Busen hinab.
Da beugte Eleonore die Knie, faßte des Vaters Hände und
sprach: „O Vater, ich klage mich an, ich hätte all den Jammer
von eurem Haupte abwenden können — ich hörte die Diebe
gehen und schwieg." Auch jetzt schwieg sie und erwartete die
Borwürfe des Vaters. Doch Diego war nicht in der Stimmung,
der geliebten Tochter zu zürnen. „Sprich mein Kind, was
hörtest Du?" sagte er sanft. „Unruhige Träume, Vater, störten
meinen Schlaf, ich hörte Schritte vor dem Hause, ach so wohl
bekannte Schritte, ich glaubte ;— Gil Perez komme, um mich
durch eine Serenade zu ehren. Ich wagte nicht, zum Fenster
zu gehen, die Tritte verhallten, und ich schlummerte wieder
ein, mich dem Schutze der heiligen Mutter empfehlend. Ver-
gebt, mein Vater, der kindischen Eitelkeit!"

„Ich habe Dir Nichts zu verzeihen. — Sähest Tu An-
tonio hier?" fragte der Alte nach einer Pause.

„Wohl sah ich ihn im Fortgehen," antwortete Eleonore
erröthend.

„Es wäre mir lieber gewesen, du hättest eine solche Auf-
merksamkeit von Antonio erwartet," sagte der Alte mit ^Nach-
druck.

„Vater, wie forschest Tu in dem Herzen Deines Kindes,"
rief das Mädchen, „ich hatte noch nie ein Geheimniß vor
Dir, und will Dir auch jetzt den bangen Gedanken nicht vor-
enthalten, der meine Seele beklemmt. Ich kenne Antonios
heiße Liebe zu mir, und mein Herz neigte sich ihm zu, da
erhielt Gil Perez Zutritt in unserem Hause, und ich schwankte.
Eine innere Stimme spricht, das Unglück, das uns heute be-
troffen, ist des Himmels Strafe für die Zurücksetzung eines
treuen Herzens."

„Es ist des Himmels Fügung, der uns eine Prüstmg
schickt," sagte der Vater ernst, „bleibe Deiner frommen Ge-
sinnung treu und sprich ein Gebet für Antonio, der fortzicht,
uns zu dem geraubten Gute zu verhelfen." Vater und Toch-
ter trennten sich.

Der Aktuar Antonio Leros eilte in seine Wohnung. Der
Schmerz des Vaters seiner Geliebten that ihm wehe, das in
ihn gesetzte Vertrauen schmeichelte ihm und der Gedanke an
Eleonoren trieb ihn, die Erfüllung seines Versprechens zu
versuchen. Er wählte unter seiner Garderobe die leichtesten
Stücke, bekleidete den schlanken Körper mit einem abgetragenen
Wammse, statt der schön geschlitzten kurzen Beinkleider legte
er lange weite an, die seit der Schulzeit mehrjährige Ruhe

genossen hatten, behing seine Schultern mit einem kleinen
Mäntelchen und steckte einen mächtigen Raufer an seine Seite.
Auf die Verfolgung seines Zwecks zu Pferde hatte er schon
verzichtet, weil er fürchtete, zu Rosse mehr Aufsehen zu er-
regen, als dienlich war.

Also gerüstet schritt er frohen Muthes der Porta benedeite zu,
passirte dieselbe glücklich, ohne Nachfrage des neugierigen Zöll-
ners, der die ihm wohlbekannte Person kopfschüttelnd betrachtete
und sich den renomnürenden Aufzug des friedlichen Mannes
nicht erklären konnte. Immer weiter marschirte Antonio auf
der staubigen Landstraße, es begegneten ihm noch viele Men-
schen, die zur Stadt eilten, die Früchte ihres Fleißes gegen
andere Bedürfnisse umzusetzcn, allein wenige nur gingen die
Richtung, die er eingeschlagen. „Nach Melilla wird der Dieb
die Dukaten nicht tragen," überlegte er, „doch wird der kluge
Schelm nicht Schleichwege benützen, seinen Raub in Sicherheit
zu bringen, ivird er sich der Gefahr des Entdecktiverdens auf
der Landstraße aussetzen, wird er endlich bei Tage reisen und
allein wie ich?" fragte er sich weiter, und die Wahrscheinlich-
keit, den entwendeten Schatz wieder zu erringen, wurde ihni .
fast noch geringer, als den daheim gebliebenen zu erobern.
Diese Voraussetzungen und Vermuthungen einer zwecklosen
Wanderung hätten nun fast den edlen Entschluß wankend ge-
macht, allein Antonio überwand seine Zweifel und beschleunigte
seine Schritte. Die Sonne stand nun schon hoch, die Attno-
sphäre glühte und noch immer ging Antonio weiter, er sehnte
sich schon sehr nach einer Herberge, wo er seinen brennenden
Durst löschen und den knurrenden Magen befriedigen konnte.
Sein forschendes Auge erblickte endlich obwohl noch in ziem-
licher Ferne, eine Venta. Wenn man auch sehr bedauern muß,
daß die schöne Sitte der Gastfreundschaft dem Institute der
Gasthöfe und Wirthshäuser Platz machen mußte, so bleibt
darum doch ein solches immer eine sehr tröstliche Erscheinung
für den erniüdeten Wanderer. Auch Antonio fühlte dies und
bemühte sich, den „Erzengel Michael" zu erreichen. Tie grob
geschnitzte Figur dieses Engels mit dem flammenden Schwerte

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Zwei Schätze"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Gastwirt
Eingang <Architektur>
Einkehr
Wanderer <Motiv>
Karikatur
Gaststätte
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 14.1851, Nr. 322, S. 75

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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
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