Passend.
Zirkusarzt: „Ich warne Sie, lieber Sportini: Nehmen Sie Ihre geschwollene linke Zeh' nicht ans die leichte Achsel!
Eigensinn.
Bahnzug ist so überfüllt, wie es zur Zeit der Kohlennot
nur immer denkbar sein kann.
Da steigt in einen wagen, der von den vollgestopften als der
vollstgestopfte gelten darf, eine junge Dame, die man früher — als
es noch Fremdwörter in der deutschen Sprache gab — wohl mit
Recht kapriziös genannt haben würde. Jedenfalls ist sie sehr
hübsch.
Das fühlen sämtliche Insassen mit der Verschiedenheit der
Empfindungen, die eine hübsche junge Dame bei den mannigfachsten
lllenschen hervorruft oder — wie ein zeitgemäßer Schriftsteller sagen
würde — „auslöst". Aber niemand erhebt sich.
Die Eigenliebe — vordem Egoismus — die Eigenliebe also
fesselt jeden wie mit Stahlklammern an seinen Sitz. Die meisten
aber ducken trotzdem die Köpfe.
„Ist denn kein Plätzchen mehr frei?" sagt sie endlich trotzig,
schmollend, hochmütig und mit strafender Bitte. — „Sie könnten
wirklich aufstehen I" knurrt ein nervöser alter Serr, seinen lsamster«
sack neben sich, einem schüchternen jungen Mann zu, der mit Sommer-
sprossen gesprenkelt ist. Schamrot und von seiner llnbeholfenheit
gelähmt, beginnt der Jüngling heftig zu schwitzen und klebt wie
ein Gallapfel auf dem Eichblatt.
Ein Streit, eine Reihe von Streiten flammt empor. Jeder
hält den anderen für verpflichtet, aufzustehen oder wenigstens sich
zusammenzuschnürcn und in sich hineinzukriechen.
Lin Drängen, Schieben, Belfern, Keifen, (Quetschen bringt den
Menschenklos in Wallung. Rach einigen Minuten sind mehrere
flunderartig gepreßt oder über die Bankenden hinausgedrückt. Statt
eines sind gleich zwei, drei artige Plätzchen frei geworden.
Die junge Dame steht es mit lächelnder Genugtuung — geht
vor den Wagen und setzt sich auf das unterste Trittbrett.
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Zirkusarzt: „Ich warne Sie, lieber Sportini: Nehmen Sie Ihre geschwollene linke Zeh' nicht ans die leichte Achsel!
Eigensinn.
Bahnzug ist so überfüllt, wie es zur Zeit der Kohlennot
nur immer denkbar sein kann.
Da steigt in einen wagen, der von den vollgestopften als der
vollstgestopfte gelten darf, eine junge Dame, die man früher — als
es noch Fremdwörter in der deutschen Sprache gab — wohl mit
Recht kapriziös genannt haben würde. Jedenfalls ist sie sehr
hübsch.
Das fühlen sämtliche Insassen mit der Verschiedenheit der
Empfindungen, die eine hübsche junge Dame bei den mannigfachsten
lllenschen hervorruft oder — wie ein zeitgemäßer Schriftsteller sagen
würde — „auslöst". Aber niemand erhebt sich.
Die Eigenliebe — vordem Egoismus — die Eigenliebe also
fesselt jeden wie mit Stahlklammern an seinen Sitz. Die meisten
aber ducken trotzdem die Köpfe.
„Ist denn kein Plätzchen mehr frei?" sagt sie endlich trotzig,
schmollend, hochmütig und mit strafender Bitte. — „Sie könnten
wirklich aufstehen I" knurrt ein nervöser alter Serr, seinen lsamster«
sack neben sich, einem schüchternen jungen Mann zu, der mit Sommer-
sprossen gesprenkelt ist. Schamrot und von seiner llnbeholfenheit
gelähmt, beginnt der Jüngling heftig zu schwitzen und klebt wie
ein Gallapfel auf dem Eichblatt.
Ein Streit, eine Reihe von Streiten flammt empor. Jeder
hält den anderen für verpflichtet, aufzustehen oder wenigstens sich
zusammenzuschnürcn und in sich hineinzukriechen.
Lin Drängen, Schieben, Belfern, Keifen, (Quetschen bringt den
Menschenklos in Wallung. Rach einigen Minuten sind mehrere
flunderartig gepreßt oder über die Bankenden hinausgedrückt. Statt
eines sind gleich zwei, drei artige Plätzchen frei geworden.
Die junge Dame steht es mit lächelnder Genugtuung — geht
vor den Wagen und setzt sich auf das unterste Trittbrett.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Passend"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1919
Entstehungsdatum (normiert)
1914 - 1924
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 151.1919, Nr. 3864, S. 75
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg