(Der Rentamtmann Kirnbacher, Dirigent des Gesangvereins „Lyra", hatte
in Adlmarkt einen gottbegnadeten Tenor entdeckt, aber die vereinte Spieß-
bürgerschast des Vorstandes hatte es abgelehnt, den Sänger Schnapper in die
„Lyra" aufzunehmen, weil er ein schlichter Ausgeher war und — einmal einen
Mops zu besonderen Zwecke» gefangen hatte.)
(Schluß) Der Zahn der Zeit hatte — wie der Dichter so schön sagt — fünf
Jahre von der Ewigkeit weggenagt. In Adlmarkt hatte sich nicht viel ver-
ändert. Der Kaufmann Nußbaum hatte ein neues vielbewundertes Aus-
lagenfenster mit vorspringendcn Scheiben errichtet. Der Gesangverein Lyra
stand unter einem neuen Dirigenten. Der alte Kirnbacher hatte sich mit den
Tenören schachmatt geärgert, und der Dirigentenstab war an den Amtsrichter
übergegangcn. Aber auch der würde nicht lange mehr — wie der Studien-
professor Schlcgl am letzten Stiftungsfest inderRcde ausführte — mit seinem
Stab wie Moses Wasser aus dem Felsen — den erquickenden. Born der
Musik aus der „Lyra" schlagen. — Er sollte in Bälde als Staatsanwalt in die
Hauptstadt versetzt werden. Bor seinem Scheiden aber hatte die Lyra einen
großen Fest- und Liederabend angeseht und sich dazu den berühmten neuen
Tenor der hauptstädtischen Oper verschrieben: Rolf Schauenburg. Der Tenor
hatte auf die Einladung der Lyra durch seine Sekretärin eine freundliche Zu-
sage schreiben lassen. Im Stern saß alles, was Wohlstand und Bildung
repräsentierte, versammelt. Der Amtsrichter im Frack empfing am Eingang
den illustren Gast. — Er bewillkonunte ihn mit überströmenden Worten des
Dankes, daß er dem kleinen Adlmarkt die Ehre seines Besuchs, das Geschenk
seiner hohen Kunst geben wolle. — Rolf Schauenburg drückte dem Amts-
richter herzhaft die stand und fragte als erstes, ob Kroll & Sohn, die Seifen-
fabrik, noch existiere. Aber noch während die beiden sich liebenswürdige Redeil
gaben, bahnte sich von der Hinteren Saalecke her eine dicke Frau eine Gasse,
trennte mit resoluten Ellenbogen den Amtsrichter von dem Sänger und sagte
voll hoher ehrlicher Freude: „Ja,grüaßEahna Gott,Herr Schnapper! Bald
hätt' i Eahna niminer kennt. Guat schaug n S' auö - Fein! Nobi!! — Ja,
dös is aber a Zuafall, daß Sie aa wieder amal hcrkemma. . ."
Der Amtsrichter stand fassungslos. Nun dämmerte ihm aus Gesicht und
Sprache des illustren Gastes eine Erinnerung. Er sammelte sich aber sofort
und wollte alles diskret überhört habeil, wiewohl schon Dutzende von ncu-
gierigcn Gesichtern sich ilach der kleincil Gruppe drehteil.
Indes, der Opernsänger Rolf Schauenburg sagte — kordial die amts-
richterlichcn Schultern klopfeild: „Ich war schon einmal hier, Herr Amts-
richter." — Zwinkerte lustig mit den Augen. „Angestellt, ja! - Na, mail kennt
i» der Stadt natürlich nicht alle Menschen. Ein ausgezeichnetes Klima haben
Sie hier-und eine ganz prächtige Umgebung. - — Tadellos, ja . - •
In der Großstadt ist ja das alles gailz anders." — - Der Amtsrichter be-
stätigte verbindlich. Er geleitete den Sänger an den Ehrenplatz neben die
Frau Bürgermeister. Links voil ihm aber saß die Frau Fustizrat Wimbicblcr
und hinter ihin die Frau Apotheker, die die Liedertcxte im Programm las,
als müßte sie sämtliche in einer Viertelstunde frei aus dem Kopf rezitiere».
Ihre - in den vier Fahren zu holder Jungfräulichkeit herangeblühten -
zwei Töchter aber betrachteten mit Stielaugen den berühmte» Gast und waren
von seinem Fracksitz schon ganz berauscht.
„Wissen Sie, Herr Kammersänger," sagte die Frau Fustizrat Wimbichler,
„Sie erinnern mich kolossal an jemanden, ich weiß nur nicht im Augenblick
— — warten Sie inal - - waren Sie nicht früher Jurist, — bei Ge-
richt oder so." Sie inaß ihn noch mal init einem Seitenblick. Dann wurde1»’
bleich und schwieg und-atinete hörbar. Der Kaufmann Nußbaum und
der postdircktor, die im engeren Gefolge des Empfangs waren, standen mit
dem Amtsrichter beiseite. -
Nußbaum vernahm mit vor Hochachtung verklärtein Antlitz, daß Öletcr
Sänger eine Monatsgage von 3000 Mark bezöge und aus Amerika ein
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in Adlmarkt einen gottbegnadeten Tenor entdeckt, aber die vereinte Spieß-
bürgerschast des Vorstandes hatte es abgelehnt, den Sänger Schnapper in die
„Lyra" aufzunehmen, weil er ein schlichter Ausgeher war und — einmal einen
Mops zu besonderen Zwecke» gefangen hatte.)
(Schluß) Der Zahn der Zeit hatte — wie der Dichter so schön sagt — fünf
Jahre von der Ewigkeit weggenagt. In Adlmarkt hatte sich nicht viel ver-
ändert. Der Kaufmann Nußbaum hatte ein neues vielbewundertes Aus-
lagenfenster mit vorspringendcn Scheiben errichtet. Der Gesangverein Lyra
stand unter einem neuen Dirigenten. Der alte Kirnbacher hatte sich mit den
Tenören schachmatt geärgert, und der Dirigentenstab war an den Amtsrichter
übergegangcn. Aber auch der würde nicht lange mehr — wie der Studien-
professor Schlcgl am letzten Stiftungsfest inderRcde ausführte — mit seinem
Stab wie Moses Wasser aus dem Felsen — den erquickenden. Born der
Musik aus der „Lyra" schlagen. — Er sollte in Bälde als Staatsanwalt in die
Hauptstadt versetzt werden. Bor seinem Scheiden aber hatte die Lyra einen
großen Fest- und Liederabend angeseht und sich dazu den berühmten neuen
Tenor der hauptstädtischen Oper verschrieben: Rolf Schauenburg. Der Tenor
hatte auf die Einladung der Lyra durch seine Sekretärin eine freundliche Zu-
sage schreiben lassen. Im Stern saß alles, was Wohlstand und Bildung
repräsentierte, versammelt. Der Amtsrichter im Frack empfing am Eingang
den illustren Gast. — Er bewillkonunte ihn mit überströmenden Worten des
Dankes, daß er dem kleinen Adlmarkt die Ehre seines Besuchs, das Geschenk
seiner hohen Kunst geben wolle. — Rolf Schauenburg drückte dem Amts-
richter herzhaft die stand und fragte als erstes, ob Kroll & Sohn, die Seifen-
fabrik, noch existiere. Aber noch während die beiden sich liebenswürdige Redeil
gaben, bahnte sich von der Hinteren Saalecke her eine dicke Frau eine Gasse,
trennte mit resoluten Ellenbogen den Amtsrichter von dem Sänger und sagte
voll hoher ehrlicher Freude: „Ja,grüaßEahna Gott,Herr Schnapper! Bald
hätt' i Eahna niminer kennt. Guat schaug n S' auö - Fein! Nobi!! — Ja,
dös is aber a Zuafall, daß Sie aa wieder amal hcrkemma. . ."
Der Amtsrichter stand fassungslos. Nun dämmerte ihm aus Gesicht und
Sprache des illustren Gastes eine Erinnerung. Er sammelte sich aber sofort
und wollte alles diskret überhört habeil, wiewohl schon Dutzende von ncu-
gierigcn Gesichtern sich ilach der kleincil Gruppe drehteil.
Indes, der Opernsänger Rolf Schauenburg sagte — kordial die amts-
richterlichcn Schultern klopfeild: „Ich war schon einmal hier, Herr Amts-
richter." — Zwinkerte lustig mit den Augen. „Angestellt, ja! - Na, mail kennt
i» der Stadt natürlich nicht alle Menschen. Ein ausgezeichnetes Klima haben
Sie hier-und eine ganz prächtige Umgebung. - — Tadellos, ja . - •
In der Großstadt ist ja das alles gailz anders." — - Der Amtsrichter be-
stätigte verbindlich. Er geleitete den Sänger an den Ehrenplatz neben die
Frau Bürgermeister. Links voil ihm aber saß die Frau Fustizrat Wimbicblcr
und hinter ihin die Frau Apotheker, die die Liedertcxte im Programm las,
als müßte sie sämtliche in einer Viertelstunde frei aus dem Kopf rezitiere».
Ihre - in den vier Fahren zu holder Jungfräulichkeit herangeblühten -
zwei Töchter aber betrachteten mit Stielaugen den berühmte» Gast und waren
von seinem Fracksitz schon ganz berauscht.
„Wissen Sie, Herr Kammersänger," sagte die Frau Fustizrat Wimbichler,
„Sie erinnern mich kolossal an jemanden, ich weiß nur nicht im Augenblick
— — warten Sie inal - - waren Sie nicht früher Jurist, — bei Ge-
richt oder so." Sie inaß ihn noch mal init einem Seitenblick. Dann wurde1»’
bleich und schwieg und-atinete hörbar. Der Kaufmann Nußbaum und
der postdircktor, die im engeren Gefolge des Empfangs waren, standen mit
dem Amtsrichter beiseite. -
Nußbaum vernahm mit vor Hochachtung verklärtein Antlitz, daß Öletcr
Sänger eine Monatsgage von 3000 Mark bezöge und aus Amerika ein
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Tenor"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)