Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
D i e Ahnfrau

Wo sich des Schwarzwalds Berge hindrängen an
den Rhein,

Da ragt auf hohem Felsen die Veste Unkenstein.
Dort wohnt seit tausend Jahren ein ritterlich Ge-
schlecht,

Die Männer stolz und tapfer, die Frauen treu
und echt.

Von allen war die schönste die holde Kunigund',
Ihr tragisches Geschicke tut uns des Schlosses
Chronik kund.

Mit grenzenloser Neigung verehrt sie tief und wahr
Schon seit der Kindheit Tagen den Vetter Adolar.
Doch ihres Vaters Härte zerriß das süße Band:
Sie mußte sich vermählen mit Ritter Hudebrand.
Drob an gebrochenem Herzen sank sie ins dunkle
Grab,

Sie nahm des Jünglings Hoffen und Glück mit
sich hinab.

Allnachts, in langem Schleier, erscheint sie schmerz-
bewegt,

Wenn dumpf die Geisterstunde vom Turm des
Schlosses schlägt.

Im Ahnensaale bleibt sie vor einem Bildnis
stehn.

Auf dem der junge Ritter, gar stattlich, ist zu seh'n.
In langen, bangen Seufzern löst sich der wilde
Schmerz,

Mit stummen Flehen blickt sie still weinend him-
melwärts.

„O Adolar, mein alles!" klagt sie in tiefstem Leid,
Und dann zerfließt sie lautlos, wie Nebel auf der
Heid'. -

Sie ist ein sanftes Wesen, wenn sie auch seufzt
und stöhnt,

Man hat im Lauf der Zeiten sich ganz an sie ge-
wöhnt. —

Doch kürzlich, nachts um zwölfe, da stürzt' der
alte Zach,

Des Grafen Kammerdiener, angstschlotternd ins
Gemach.

Der Alte ringt nach Atem - noch kann er Und langsam nur gewinnt er die Fassung sich „Die Ahnfrau! Ach, die Ahnfrau! so ächzt der arme
sprechen nicht - zurück. Tropf,

Ein lähmendes Entsetzen verrät sein Ange- Doch angstvoll bleibt sein Antlitz und kummer- Tragt jetzt — ein — kniefrei's — Röckerl — Flor-
sicht. schwer sein Blick: strümpf'— und-Bubikopf!!!" E. Holz

Genau die Hälfte/ Eine Beduinengeschichte

Als die Türken die Bahn Damaskus — Mekka projektierten — das Werk
einer seltenen Einmütigkeit der Islamgläubigen, denn die Kosten wurden
aus freiwilligen Beiträgen aufgebracht — mußte vorher eine Telegraphen-
linic errichtet werden.

Vorwiegend entlang der Pilgerstraße sollte sie auch die Trace der Bahn
der Hauptsache nach markieren und führte durch strittige Gebiete, wo die
Macht der türkischen Herrschaft den Beduinen gegenüber mehr als proble-
matisch, eigentlich gleich Null war.

Die Telegraphenstangen mußten aus dem Hauran, südlich von Damaskus,
beschafft und viele Tagereisen nach dem Süden gebracht werden.

Eine unsichere, schwierige aber auch gefährliche Arbeit, zu der sich nie-
mand verstehen wollte. Es wurden deshalb die einzelnen Kaimakane der
Grenzstationen beauftragt, mit den Beduinenstämmen Fühlung zu nehmen
und zu trachten, sie für den Stangentransport zu gewinnen. Eine ebenso
schwere wie undankbare Aufgabe, denn der Beduine haßt, besser gesagt,
er verachtet den Türken und ist Herr — aber kein Knecht, der für andere
arbeitet.

Nach vielen Mühen und Überwindung großer Schwierigkeiten gelang
es, den Fürsten der Shür, Taläl ibn el Fäjer, einen klugen Mann von

großem Ansehen bei den kleineren Beduinenstämmen der Grenzgebiete, für
die Sache zu gewinnen. In wiederholten Zusammenkünften wurde im Zelt
des Fürsten endlich eine Vereinbarung zwischen ihm und dem Mutaffaref
von Kerak geschlossen, wonach der Fürst den sicheren Transport der Tele-
graphenstangen verbürgte, wogegen er vom Mutassares entsprechende Ent-
schädigung in Medschidijetalern erhalten sollte.

Die Sache läßt sich für den Mutaffaref besser an, als er gehofft hat, die
Stangen werden verhältnismäßig rasch an die bestimmten Plätze gebracht
und aufgestellt. Wenn alles so gut weitergeht, ist die Arbeit bald beendet
und der türkische Beamte hat ein sehr gutes Geschäft gemacht, denn er be-
kommt von Konstantinopel dreimal so viel, als er dem Fürsten zu zahlen
hat, aber das genügt ihm nicht.

Wie es zur Abrechnung mit TalZl kommt, gibt es viel Reden und Klagen,
Konstantinopel schicke kein Geld, der Fürst hätte zu viel verlangt, er müsse
sich mit weniger zufrieden geben, der Sultan sei arm. Und TalZl bekommt
mit vielen Worten nur die Hälfte der schönen Medschidijetalern, die ihm zu-
gesagt waren. Schweigend nimmt er sie.

Nach kurzer Zeit laufen Meldungen von den Grenzposten beim Mutaffaref
ein: Alle Telegraphenstangen sind gebrochen, genau in zwei Hälsten. A. L. M.

190
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Ahnfrau"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Reinicke, Emil
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1926
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4211, S. 190

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen