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Nervös

Julia war nervös. War.

Jetzt ist sie es längst nicht mehr.

Jetzt ist sie geduldig wie Papier.

Aber Julia war nervös. Es
bandelt sich übrigens nicht uni
die Julia, welche das Gegen-
teil von Romeo ist, sondern um
unsere Julia.Dieses „unsere"
bedeutet ein Verwandtschafls-
verhältnis. Irgend eins. Es ist
nicht wichtig. Nur so viel sei
verraten: Julia war damals
in dem Alter, da die Damen
trüber so allmählich anfingen
zum Kapotthut zu greifen, heut-
zutage aber sich den zweiten Bubikopf schneide»
laffen. Den Johannisbubikopf sozusagen . . .

Sie war schrecklich nervös. Ich habe sie aber
kuriert. Ich habe ihre Nervosität ucl ubdurclun,
geführt. Sie war so nervös, dasi sie die Fliege
an der Wand ärgerte. Ich fing aber diese Fliege
nicht. Das wäre verkehrt gewesen. Ich ging viel-
mehr in den Kubstall und fing noch hundert andere
Fliegen. Dann betupfte ich die Wand mit Staub-
zucker und lieft die hundert Fliegen im Zimmer
aus. Sie setzten sich sofort alle an die Wand.

Mathematisch gedacht, hätte sich jetzt" Juliens nervöser Ärger ver-
hundertfachen müffen. Das war aber praktisch unmöglich, denn er
batte ja bei der einen Fliege schon sein Marimum erreicht. Diesen
101 Fliegen stand also das gleiche Quantum Nervosität gegenüber
wie zuerst der einen Fliege. Das suchte ich Julian begreiflich zu
machen. Ich wandte niich an ihre Vernunft. Das wirkt immer bei
Damen mit einigen Jahresringen. Sie sah es auch ein. Gut. Nun
fing ich die hundert Fliegen zusammen und brachte sie wieder in den

Kuhstall. Die eine ursprüng-
liche Fliege ließ ich an derWand
sitzen. „Nun laß deiner Ver-
nunft die Zügel schießen,"
wandte ich mich hierauf an Ju-
lia, „dann wirst du finden, daß
dich jetzt die Fliege an der Wand
nur mehr den hundertsten Teil
ärgert als ehedem. Sie sah es
ein. „Wenn du dich so ent-
zückend mit mir beschäftigst, bin
ich überhaupt gleich viel weniger
nervös," sagte sie. Sie wollte
damit wahrscheinlich sagen, daß
das mit den Fliegen überhaupt
nicht nötig gewesen wäre, daß
ich ebensogut mit ihr hätte vier-
händig spielen können. Ich achtete aber nicht
darauf, stellte ihr vielmehr in Aussicht, daß wir
das nächstemal daö Erperiment mit tausend Flie-
ge» machen. Und so weiter. Genau wie bei der
Inflation. — So geschah es auch. Der Billionftel-
rest ihrer Nervosität war schon gar keine Nervosi-
tät mehr, sondern war Liebe. Richtige waschechte
romantische Liebe. Gottseidank, der Greüzfall war
erreicht, die «»harmonische Verwechslung konnte
vorgenommen werden. Die Kreuztonarten lagen
hinter uns, nun konnte in den L-Tonarten hcrab-
gestiegen werden bis zum gesunden unschwierigen C-Dur der Nor-
malität. Es begann also nun der positive Aufbau der Unnervosität.
Der goldenen Dickfelligkeit. Ich schlug einen Drahtstift in den Knopf
der elektrischen Klingel und warf die Beißzange in den See. In der
fünften Stunde des ununterbrochenen Klingelns drohte Julia einem
kleinen Rückfall zu erliegen. Ich erfaßte aber die Situation rasch
mit der einen Hand, mit der andern gleichzeitig Julia am Ellen-
bogen und nötigte sie sanft neben mich auf das Kanapee. Und erzählte

Großvadder, warum steht die
Grube still?"

Weil nifcht jcfördert wird."
Warum wird nifcht jefördert?"
Weil »ich jearbeetet wird."
Warum wird nich jearbeetet?"
,'Weil jestreikt wird."

Warum wird jestreikr?"

,Nu hör uff! Alles kann dein
Großvadder ooch nich wiffcn!"

Märchen. Es war einmal ein Junge, der warf einen Ball durch die Fensterscheibe in die Wohnung eines Polizisten, läutete

und ließ sich seinen Ball wiedergeben.

ISO
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Grenzen der Weisheit" "Märchen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4313, S. 160

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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