Zeichnung von St. Staat
Zu Abu Bekr, dem Kalifen, kam
Ein fchlauer Schwindler. — „Sonne unsrer Tage,"
Sprach er, „der Krieg, der mir das Letzte nahm.
Ließ mir nur diesen Ring, den ich hier trage.
Sieh dieses Kleinod, Herr, fo armutshaft,
— Kein Eseltreiber würd als Schmuck es wählen! —
In ihm schläft eine hohe Zauberkraft,
Und er enthüllt Geheimnilfe der Seelen.
Man muß ihn nur am Finger einmal drehn
Und Allahs Namen dreimal flüfternd grüßen.
Dann ift bei allen Menlchen gleich zu sehn
Die Reinheit oder Falschheit der Gewissen.
Der Blick mag offen fein, der Mund gewandt.
So gut ein Schuft den Ehrenmann mag spielen —
Es wird sich der Betrüger mit der Hand,
Wenn du ihn anfchault, an die Gurgel fühlen.
Ermiß, o Herr, wie Ichwer ich armer Hund
Von diesem meinem letzten Gut mich scheide:
Ich habe nichts auf diesem Erdenrund
Als dies, ach, gar fo köftliche Gelihmeide.
Ich biet es dir, du Goldener, hier an.
Hält ich zu elfen, würd ich es dir schenken.
So nimm es hin, du weißt wohl selber dann
Den armen Abu Halfan zu bedenken."
„Gib her, mein Sohn, und sieh mir ins Gelicht,"
Sprach der Kalif, „ich prüf dir die Gedanken-"
„Herr, wer ihn trug, bei diesem wirkt er nicht.
Bevor 12 Sonnen in das Weltmeer Tanken.
Und außerdem, da mir fo wohlbekannt
Des Rings Geheimnis ilt in allen Stücken,
So war ich, selbfi Betrüger, wohl imltand.
Den Griff nach meinem Hals zu unterdrücken."
Da warf ihm einen Beutel Drachmen der
Kalif zu, die von fchierltem Golde waren.
Der Schwindler wollte gehen. „Dank, o Herr!"
Doch der Beherrscher winkt den Janitlcharen:
„Führt dielen in den Kerker," sprach er, „Ichnell!
Bis ich geprüft, ob feine Reden taugen.
Und Tagt des Reiches Großen auf der Stell,
Sich einzufinden vor des Herrfihers Augen!"
Die Janitlcharen eilten klirrend fort.
Und ängstlich meldeten lieh die Minister,
Und Abu Bekr sprach kein einzges Wort,
War tief in Sinnen und sah streng und dülter.
Als er das Ringlein langsam drehte, als
Er murmelnd jedem einen Drohblick schenkte.
Da fuhr ein jeder schnell nach feinem Hals,
Weil der Kalif fo gern und häufig hängte.
„Hinweg mit dielen!" rief der Herrscher, „laßt
Nur den Wefir hier, den ich ehrlich wußte!"
Der hatte lieh nicht an den Hals gefaßt.
Weil er erkältet war und niesen mußte.
Ihm offenbarte der Beherrscher dann
Des Rings Geheimnis. Doch der Alte fachte:
„O Herr, es gibt im Reiche keinen Mann,
Der nicht dieselbe Handbewegung machte.
Ein Schwindler log Euch dies, ein arger Tropf,
Denn das Geheimnis — es ilt Eure Strenge:
Wen Ihr fo anföhaut, der fühlt feinen Kopf
In eines hänfnen Strickes schlimmer Enge.
Herr, meiner Zunge ließ ich freien Lauf —
Vergebet Eurem Diener Abu Tarem!
Doch bitt ich, macht einmal die Probe drauf!"
Da winkte der Kalif: „Der ganze Harem!"
Der ganze Harem ward herbeigebracht:
Die Wächter, die Eunuchen und die Neger
Und Stambuls schönste Frauenblüte macht
Das gleiche wie die hohen Würdenträger.
Man holte auch das Volk aus dem Basar,
Die Juden, Gaffer, Diebe vom Gewölbe,
Und jeder, jeder aus der großen Schar,
Sobald der Blick ihn streifte, tat dasselbe.
Am Abend ließ er niemand mehr herein. —
— Es war schon dunkel, und man brachte Fackeln —
Und sprach: „Nicht Richter, Vater will ich fein.
Und Türkenköpfe Tollen nicht mehr wackeln!"
Kein einzger wurde künftig mehr gehenkt
Und obrigkeitlich irritiert beim Schnaufen,
Selbst Abu Halfan ließ er reich beschenkt
Und ohne die verdiente Strafe laufen.
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Zu Abu Bekr, dem Kalifen, kam
Ein fchlauer Schwindler. — „Sonne unsrer Tage,"
Sprach er, „der Krieg, der mir das Letzte nahm.
Ließ mir nur diesen Ring, den ich hier trage.
Sieh dieses Kleinod, Herr, fo armutshaft,
— Kein Eseltreiber würd als Schmuck es wählen! —
In ihm schläft eine hohe Zauberkraft,
Und er enthüllt Geheimnilfe der Seelen.
Man muß ihn nur am Finger einmal drehn
Und Allahs Namen dreimal flüfternd grüßen.
Dann ift bei allen Menlchen gleich zu sehn
Die Reinheit oder Falschheit der Gewissen.
Der Blick mag offen fein, der Mund gewandt.
So gut ein Schuft den Ehrenmann mag spielen —
Es wird sich der Betrüger mit der Hand,
Wenn du ihn anfchault, an die Gurgel fühlen.
Ermiß, o Herr, wie Ichwer ich armer Hund
Von diesem meinem letzten Gut mich scheide:
Ich habe nichts auf diesem Erdenrund
Als dies, ach, gar fo köftliche Gelihmeide.
Ich biet es dir, du Goldener, hier an.
Hält ich zu elfen, würd ich es dir schenken.
So nimm es hin, du weißt wohl selber dann
Den armen Abu Halfan zu bedenken."
„Gib her, mein Sohn, und sieh mir ins Gelicht,"
Sprach der Kalif, „ich prüf dir die Gedanken-"
„Herr, wer ihn trug, bei diesem wirkt er nicht.
Bevor 12 Sonnen in das Weltmeer Tanken.
Und außerdem, da mir fo wohlbekannt
Des Rings Geheimnis ilt in allen Stücken,
So war ich, selbfi Betrüger, wohl imltand.
Den Griff nach meinem Hals zu unterdrücken."
Da warf ihm einen Beutel Drachmen der
Kalif zu, die von fchierltem Golde waren.
Der Schwindler wollte gehen. „Dank, o Herr!"
Doch der Beherrscher winkt den Janitlcharen:
„Führt dielen in den Kerker," sprach er, „Ichnell!
Bis ich geprüft, ob feine Reden taugen.
Und Tagt des Reiches Großen auf der Stell,
Sich einzufinden vor des Herrfihers Augen!"
Die Janitlcharen eilten klirrend fort.
Und ängstlich meldeten lieh die Minister,
Und Abu Bekr sprach kein einzges Wort,
War tief in Sinnen und sah streng und dülter.
Als er das Ringlein langsam drehte, als
Er murmelnd jedem einen Drohblick schenkte.
Da fuhr ein jeder schnell nach feinem Hals,
Weil der Kalif fo gern und häufig hängte.
„Hinweg mit dielen!" rief der Herrscher, „laßt
Nur den Wefir hier, den ich ehrlich wußte!"
Der hatte lieh nicht an den Hals gefaßt.
Weil er erkältet war und niesen mußte.
Ihm offenbarte der Beherrscher dann
Des Rings Geheimnis. Doch der Alte fachte:
„O Herr, es gibt im Reiche keinen Mann,
Der nicht dieselbe Handbewegung machte.
Ein Schwindler log Euch dies, ein arger Tropf,
Denn das Geheimnis — es ilt Eure Strenge:
Wen Ihr fo anföhaut, der fühlt feinen Kopf
In eines hänfnen Strickes schlimmer Enge.
Herr, meiner Zunge ließ ich freien Lauf —
Vergebet Eurem Diener Abu Tarem!
Doch bitt ich, macht einmal die Probe drauf!"
Da winkte der Kalif: „Der ganze Harem!"
Der ganze Harem ward herbeigebracht:
Die Wächter, die Eunuchen und die Neger
Und Stambuls schönste Frauenblüte macht
Das gleiche wie die hohen Würdenträger.
Man holte auch das Volk aus dem Basar,
Die Juden, Gaffer, Diebe vom Gewölbe,
Und jeder, jeder aus der großen Schar,
Sobald der Blick ihn streifte, tat dasselbe.
Am Abend ließ er niemand mehr herein. —
— Es war schon dunkel, und man brachte Fackeln —
Und sprach: „Nicht Richter, Vater will ich fein.
Und Türkenköpfe Tollen nicht mehr wackeln!"
Kein einzger wurde künftig mehr gehenkt
Und obrigkeitlich irritiert beim Schnaufen,
Selbst Abu Halfan ließ er reich beschenkt
Und ohne die verdiente Strafe laufen.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Zauberring von Curriander"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 178.1933, Nr. 4575, S. 211
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg