Zeichnung von I. Mauder
„Sie sagen, das Bild stellt angreifende Tanks vor. Wo sind denn die Tanks?*
„Eingenebett, Lerr Major, vollständig eingenebelt!"
Nur der Umweg führt zum Ziel
je einen Zettel mit ihrer Adresse und dem Zusatz beigefügt: „Ich
will heiraten, blond mußt du sein und nicht über dreißig." — Vier
Wochen später war sie verheiratet, und er war blond und unter
dreißig.
Baukeline ließ das Zeitungsblatt sinken, „Nein, so etwas!" flüsterte
sie, und die Vorstellung, daß ein junges Mädchen - anstatt zu warten —
einfach ihr Schicksal selbst zurechtgestoßen hatte, überwältigte sie fast
Sie rief ihre Phantasie zu Lilfe, malte sich aus, wie das wohl
alles vor sich gegangen sei, träumte eine ganze Nacht von diesen
Dingen und wußte am nächsten Morgen, bevor auch nur der Post-
bote erschienen war, daß nunmehr auch für sie — Baukeline — so
etwas wie eine Schicksalswende da sei.
Der Postbote tat das Seine, um den gärenden Kräften Vor-
schub zu leisten. Er brachte einen Brief, in dem zu lesen war, daß
Baukeline in einem der vielen Preisausschreiben, an denen sie sich
zu beteiligen pflegte, eine Fahrt nach Berlin gewonnen hatte, die
mit einem Theaterbesuch und einem Freiflug über die Stadt ver-
bunden war.
Nunmehr fingen die Ereignisse an, sich zu überstürzen. Baukeline
wußte, daß diese Reise — und nun gar ein Flug über Berlin —
in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufforderung des Schick-
sals stand, den bisherigen Lauf der Dinge durch einen Gewaltstreich
in ein anderes Bett zu leiten. Die nächsten Tage und Nächte schlief
Baukeline nicht. Sie arbeitete. Sie entwarf — so wie das Zigaret-
tenmädchen es getan hatte — einen Lilferuf. Sie packte ihre Koffer.
Sie ließ sich, zum erstenmal in ihrem Leben, frisieren. Sie entwarf
einen zweiten Lilferuf. Und dann — in dem Augenblick der Abreise
von Drachenhöp — stand all das, was nun kommen mußte, klar und
unverrückbar vor ihr.
In Berlin ließ sie, ohne auf das Lächeln der Beteiligten zu
achten, ihren Lilferuf in einer Schreibstube in 2000 Exemplaren
vervielfältigen. Abends saß sie im Theater. Aber sie hörte nicht, was
dort gesprochen und gesungen wurde. Am nächsten Vormittag stand
sie auf dem Tempelhofer Feld. Sie sah nicht, wie die Flugzeuge
landeten und starteten. Sie drückte ein Paket fest gegen den Leib,
ließ sich in die Rundflugmaschine führen, sie sah, wie dort unten die
Flughallen kleiner wurden, wie sie verschwanden, sie kurbelte —
nicht ohne Mühe — das Fenster herunter und warf zweitausend
Lilferufe in das unermeßliche Läusermeer von Berlin.
Baukeline erwachte aus ihrem traumhaften Zustand erst, als
sie wieder zu Lause war und das erste Feuer im Lerd entflammte.
Dann begann die Zeit des Wartens.
Tage und Wochen vergingen. Lier und da mochte wohl ein
Berliner einen der zweitausend Zettel aus dem Straßenschmutz ge-
zogen und gelesen haben: „Baukeline Molkenchor, Drachenhöp Nr. 17,
sucht auf diesem ungewöhnlichen Wege die Bekanntschaft eines ordent-
lichen Mannes bis zu 45 Jahren, der Lust zur Landwirtschaft und
Geflügelzucht hat. Witwer nicht ausgeschlossen."
Aber sei es nun, daß die Lust zur Landwirtschaft und zur Ge-
flügelzucht in Berlin gerade um diese Zeit nicht allzu groß war, sei
es, daß der Zufall Baukelines Lilferufe ausgerechnet in Pfützen
und Kellerlöcher flattern ließ — Baukeline wartete Tag um Tag,
und nichts von dem, was sie erträumte, erfüllte sich. Bis dann aber
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„Sie sagen, das Bild stellt angreifende Tanks vor. Wo sind denn die Tanks?*
„Eingenebett, Lerr Major, vollständig eingenebelt!"
Nur der Umweg führt zum Ziel
je einen Zettel mit ihrer Adresse und dem Zusatz beigefügt: „Ich
will heiraten, blond mußt du sein und nicht über dreißig." — Vier
Wochen später war sie verheiratet, und er war blond und unter
dreißig.
Baukeline ließ das Zeitungsblatt sinken, „Nein, so etwas!" flüsterte
sie, und die Vorstellung, daß ein junges Mädchen - anstatt zu warten —
einfach ihr Schicksal selbst zurechtgestoßen hatte, überwältigte sie fast
Sie rief ihre Phantasie zu Lilfe, malte sich aus, wie das wohl
alles vor sich gegangen sei, träumte eine ganze Nacht von diesen
Dingen und wußte am nächsten Morgen, bevor auch nur der Post-
bote erschienen war, daß nunmehr auch für sie — Baukeline — so
etwas wie eine Schicksalswende da sei.
Der Postbote tat das Seine, um den gärenden Kräften Vor-
schub zu leisten. Er brachte einen Brief, in dem zu lesen war, daß
Baukeline in einem der vielen Preisausschreiben, an denen sie sich
zu beteiligen pflegte, eine Fahrt nach Berlin gewonnen hatte, die
mit einem Theaterbesuch und einem Freiflug über die Stadt ver-
bunden war.
Nunmehr fingen die Ereignisse an, sich zu überstürzen. Baukeline
wußte, daß diese Reise — und nun gar ein Flug über Berlin —
in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufforderung des Schick-
sals stand, den bisherigen Lauf der Dinge durch einen Gewaltstreich
in ein anderes Bett zu leiten. Die nächsten Tage und Nächte schlief
Baukeline nicht. Sie arbeitete. Sie entwarf — so wie das Zigaret-
tenmädchen es getan hatte — einen Lilferuf. Sie packte ihre Koffer.
Sie ließ sich, zum erstenmal in ihrem Leben, frisieren. Sie entwarf
einen zweiten Lilferuf. Und dann — in dem Augenblick der Abreise
von Drachenhöp — stand all das, was nun kommen mußte, klar und
unverrückbar vor ihr.
In Berlin ließ sie, ohne auf das Lächeln der Beteiligten zu
achten, ihren Lilferuf in einer Schreibstube in 2000 Exemplaren
vervielfältigen. Abends saß sie im Theater. Aber sie hörte nicht, was
dort gesprochen und gesungen wurde. Am nächsten Vormittag stand
sie auf dem Tempelhofer Feld. Sie sah nicht, wie die Flugzeuge
landeten und starteten. Sie drückte ein Paket fest gegen den Leib,
ließ sich in die Rundflugmaschine führen, sie sah, wie dort unten die
Flughallen kleiner wurden, wie sie verschwanden, sie kurbelte —
nicht ohne Mühe — das Fenster herunter und warf zweitausend
Lilferufe in das unermeßliche Läusermeer von Berlin.
Baukeline erwachte aus ihrem traumhaften Zustand erst, als
sie wieder zu Lause war und das erste Feuer im Lerd entflammte.
Dann begann die Zeit des Wartens.
Tage und Wochen vergingen. Lier und da mochte wohl ein
Berliner einen der zweitausend Zettel aus dem Straßenschmutz ge-
zogen und gelesen haben: „Baukeline Molkenchor, Drachenhöp Nr. 17,
sucht auf diesem ungewöhnlichen Wege die Bekanntschaft eines ordent-
lichen Mannes bis zu 45 Jahren, der Lust zur Landwirtschaft und
Geflügelzucht hat. Witwer nicht ausgeschlossen."
Aber sei es nun, daß die Lust zur Landwirtschaft und zur Ge-
flügelzucht in Berlin gerade um diese Zeit nicht allzu groß war, sei
es, daß der Zufall Baukelines Lilferufe ausgerechnet in Pfützen
und Kellerlöcher flattern ließ — Baukeline wartete Tag um Tag,
und nichts von dem, was sie erträumte, erfüllte sich. Bis dann aber
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Sie sagen, das Bild stellt angreifende Tanks vor. Wo sind denn die Tanks?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4931, S. 51
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg