Q
Der letzte Tag
Von Ralph Arb an (Lauptfeldwebel Ardanetz)
Zuerst hätten sie beide zugleich auf Arlaub fahren sollen, aber
dann mußte einer Zurückbleiben, weil sonst die vorgeschriebene An-
zahl überschritten worden wäre. Es traf den Oberschützen Konrad
Leger.
„Mach' dir nichts daraus," tröstete ihn beim Abschied sein Kamerad,
der Oberschütze Erwin Böck, „du fährst dann eben wenn ich zurück-
komme."
„Spielt auch keine Rolle," meinte Leger. „Aber wenn du erst
daheim bist, kannst du mir einen Gefallen tun. Ich stehe da mit
einem Mädel im Briefwechsel, mit einer gewissen Käthe. Ich erhielt
als unbekannter Soldat von ihr zu Weihnachten ein Liebesgaben-
päckchen, und seither korrespondieren wir. In der Meinung, ich würde
heute fahren, habe ich sie für Dienstag fünf Ahr in die Konditorei
Zöchmeister gebeten, damit
wir uns endlich persönlich
kennenlernen. Sei so gut,
gehe hin und grüße sie mir.
Aber daß du sie mir nicht
ausspannst."
„Natürlich nicht, Ehren-
sache!" versicherte Böck
und ging ab. Am Montag
abend kam er zu Lause an,
und am Dienstag betrat er
pünktlich das kleine Kaffee,
um seinen Auftrag auszu-
führen. Beim Eingang
blieb er stehen und sah
suchend umher. Aber dann
wurde ihm kalt und heiß
zugleich, denn das Mädel,
das ihm von einem
Tischchen zunickte, war
sein lebendig gewordener
Wunschtraun-. Obwohl er
sonst keineswegs zu den
Schüchternen zählte, ging
er steif wie ein Klotz auf
die Schöne zu und stotterte
vor Verlegenheit.
„Ich — soll — ja —"
sagte er und wußte nicht
weiter.
„Also Sie sind Lerr
Leger," meinte das Mäd-
chen und wurde dunkelrot.
„Tja, natürlich," ent-
fuhr es ihm, „natürlich bin
5Ü
ich Konrad Leger, Fräulein Käthe." Dann biß er sich aus die Lippen,
aber nun war es zu spät. Es mußte ihn in diesem Augenblick der
Teufel geritten haben.
Nach einer Weile wich die beiderseitige Befangenheit, bald rückten
sie näher zusammen, aber erst um sieben merkten sie, daß sie einander
die Lände hielten. Später, da er sie nach Lause begleitete, seufzte sie.
„Was haben Sie, Käthe?" fragte er.
„Ach, nichts," sagte sie.
Bald darauf seufzte er.
„Was haben Sie denn?" — „Ach, nichts!"
Dann blieben sie stehen und seufzten beide. And dann küßten sie
einander.
„Käthe I" flüsterte er. - „Konrad I" flüsterte sie. Worauf es Erwin Böck
einen Stich gab. Gesenkten
Lauptes ging er nach Lause.
Das Gewissen biß ihn bis
in seine Träume hinein.
Sein Kamerad Konrad
Leger war Plötzlich sein
Lauptfeldwebel geworden
und sprach: „Ich werde
Ihnen schon geben, Böck,
mir mein Mädel auszu-
spannen I And jetzt melden
Sie sich beim Bekleidungs-
unteroffizier, es sind dort
zweiundsiebzig Paar Stie-
fel zu putzen. In zwei
Stunden komme ich selber
nachsehen, ob sie auch so
richtig blank sind." Wo-
rauf der Oberschütze Böck
schweißgebadet erwachte.
Am nächsten Tag wollte
er Käthe beichten, er kam
aber nicht dazu. Auch nicht
am zweiten, auch nicht am
dritten Tag. Kann man
für sich, wenn man sterb-
lich verliebt ist? So lebte
Erwin weiter in seinem
falschen Glück.
Der Arlaub verflog, und
dann kam der letzte Tag.
Sie gingen zusammen durch
den Wald, ernst und
schweigsam. Erwin nahm
sich ein Lerz.
v»PfßFZ,..
Ganz in der Ordnung
„Ich finde Ihr Selbstporträt aber stark geschmeichelt?"
„Wieso geschmeichelt? Das Werk soll doch den Meister loben."
Der letzte Tag
Von Ralph Arb an (Lauptfeldwebel Ardanetz)
Zuerst hätten sie beide zugleich auf Arlaub fahren sollen, aber
dann mußte einer Zurückbleiben, weil sonst die vorgeschriebene An-
zahl überschritten worden wäre. Es traf den Oberschützen Konrad
Leger.
„Mach' dir nichts daraus," tröstete ihn beim Abschied sein Kamerad,
der Oberschütze Erwin Böck, „du fährst dann eben wenn ich zurück-
komme."
„Spielt auch keine Rolle," meinte Leger. „Aber wenn du erst
daheim bist, kannst du mir einen Gefallen tun. Ich stehe da mit
einem Mädel im Briefwechsel, mit einer gewissen Käthe. Ich erhielt
als unbekannter Soldat von ihr zu Weihnachten ein Liebesgaben-
päckchen, und seither korrespondieren wir. In der Meinung, ich würde
heute fahren, habe ich sie für Dienstag fünf Ahr in die Konditorei
Zöchmeister gebeten, damit
wir uns endlich persönlich
kennenlernen. Sei so gut,
gehe hin und grüße sie mir.
Aber daß du sie mir nicht
ausspannst."
„Natürlich nicht, Ehren-
sache!" versicherte Böck
und ging ab. Am Montag
abend kam er zu Lause an,
und am Dienstag betrat er
pünktlich das kleine Kaffee,
um seinen Auftrag auszu-
führen. Beim Eingang
blieb er stehen und sah
suchend umher. Aber dann
wurde ihm kalt und heiß
zugleich, denn das Mädel,
das ihm von einem
Tischchen zunickte, war
sein lebendig gewordener
Wunschtraun-. Obwohl er
sonst keineswegs zu den
Schüchternen zählte, ging
er steif wie ein Klotz auf
die Schöne zu und stotterte
vor Verlegenheit.
„Ich — soll — ja —"
sagte er und wußte nicht
weiter.
„Also Sie sind Lerr
Leger," meinte das Mäd-
chen und wurde dunkelrot.
„Tja, natürlich," ent-
fuhr es ihm, „natürlich bin
5Ü
ich Konrad Leger, Fräulein Käthe." Dann biß er sich aus die Lippen,
aber nun war es zu spät. Es mußte ihn in diesem Augenblick der
Teufel geritten haben.
Nach einer Weile wich die beiderseitige Befangenheit, bald rückten
sie näher zusammen, aber erst um sieben merkten sie, daß sie einander
die Lände hielten. Später, da er sie nach Lause begleitete, seufzte sie.
„Was haben Sie, Käthe?" fragte er.
„Ach, nichts," sagte sie.
Bald darauf seufzte er.
„Was haben Sie denn?" — „Ach, nichts!"
Dann blieben sie stehen und seufzten beide. And dann küßten sie
einander.
„Käthe I" flüsterte er. - „Konrad I" flüsterte sie. Worauf es Erwin Böck
einen Stich gab. Gesenkten
Lauptes ging er nach Lause.
Das Gewissen biß ihn bis
in seine Träume hinein.
Sein Kamerad Konrad
Leger war Plötzlich sein
Lauptfeldwebel geworden
und sprach: „Ich werde
Ihnen schon geben, Böck,
mir mein Mädel auszu-
spannen I And jetzt melden
Sie sich beim Bekleidungs-
unteroffizier, es sind dort
zweiundsiebzig Paar Stie-
fel zu putzen. In zwei
Stunden komme ich selber
nachsehen, ob sie auch so
richtig blank sind." Wo-
rauf der Oberschütze Böck
schweißgebadet erwachte.
Am nächsten Tag wollte
er Käthe beichten, er kam
aber nicht dazu. Auch nicht
am zweiten, auch nicht am
dritten Tag. Kann man
für sich, wenn man sterb-
lich verliebt ist? So lebte
Erwin weiter in seinem
falschen Glück.
Der Arlaub verflog, und
dann kam der letzte Tag.
Sie gingen zusammen durch
den Wald, ernst und
schweigsam. Erwin nahm
sich ein Lerz.
v»PfßFZ,..
Ganz in der Ordnung
„Ich finde Ihr Selbstporträt aber stark geschmeichelt?"
„Wieso geschmeichelt? Das Werk soll doch den Meister loben."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ganz in der Ordnung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5008, S. 50
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg