„Wonderful, er benimmt sich wie ein Amerikaner!
Lerr Federlich
war Witwe, ihre wachsende Sympathie erwuchs vielleicht weniger
fachlichen Gründe». Diese Vermutung war Lerrn Federlich durchaus
nicht unangenehm. Warum sollte eine wertvolle Dame sich nicht
einen wertvollen Mann ersehnen? Er war ja schließlich keine schlechte
Partie und brachte eine Reihe brauchbarer Kochrezepte in die Ehe
, mit. And was ihm in seinem herbstlichen Lebensstadium a» natür-
licher Wärme des Gefühles mangelte, das ersetzte er durch erkochte
Kalorien.
Er überbot sich in Löslichkeiten und Reverenzen, wenn immer
er Frau Niedlich begegnete, und auch ihr Lächeln wurde von Tag
zu Tag huldvoller. War es Zufall, daß sie jetzt viel häufiger auf
der Treppe erschien? Lauerte sie etwa gar hinter ihren Gardinen
auf seine Leimkehr? Von der Stunde, da ihm dieser beglückende
Verdacht aufstieg, gewann Frau Niedlich immer größeren Raum
in seinem Innenleben. Seine sonst so wohldisziplinierten Gedanken
schweiften ständig von den Akten ab, er ertappte sich auf Geistes-
abwesenheiten, zu denen ihm kein Arlaub erteilt wurde, Feder
wie Kochlöffel verübten Fehlleistungen, die keinen anderen Schluß
zuließen: er war verliebt. Ein Zustand, der ihn mit geheimem Wohl-
behagen erfüllte, obschon sein strenges Sekretärsgewissen Zustand
wie Wohlbehagen entschieden mißbilligte. Dieser bedenkliche Zustand
gewann noch an Intensität, als eines Tages Frau Niedlich gar das
Wort an ihn richtete und ihm Komplimente wegen seiner Kochkunst
machte, von der nicht nur das Laus, sondern auch die Straße, ja
das ganze Viertel voll höchsten Lobes sei. Lerr Federlich wußte
kaum sein Entzücke» zu bändigen: Frau Niedlich, die Stolze, Unnah-
bare machte ihm den Los, warb um ihn! Welchem andern Mann
im Lause, in der Straße, im Viertel war Gleiches widerfahren?
Seine ohnehin beträchtliche Selbstachtung wuchs ins Angemessene.
Von nun an zog ihn Frau Niedlich bei jeder Begegnung ins
Gespräch. Das fällige Mahl, das derzeitige Angebot an Gemüsen,
die Sonderzuteilung an Leringen, die vergangene, gegenwärtige
100
und künftige Wetterlage boten unerschöpflichen Stoff für freund-
schaftlichen Gedankenaustausch. Aeber Blaukraut und Spinat, durch
Nässe und Kälte tasteten die Lerzen einander näher. Mit höchster
Spannung blickte Lerr Federlich den Fortsetzungen des Romans
entgegen, in den er leibhaftig geraten war. Man konnte nicht ewig
bei Kohl »nd Kraut, Wind und Wetter und ähnlichen lyrischen
Themen bleiben.
Lerr Federlich, der scharfsinnige Psychologe, hatte recht. Eines
Tages, als Frau Niedlich ihm wieder begegnete, verklärte sich ihr
Antlitz, und sie zwitscherte liebenswürdig: „Darf ich Sie einen
Augenblick zu mir bitten?" Beflügelt schwebte Lerr Federlich in
ihre Gemächer. Frau Niedlich nötigte ihn in einen Sessel. Sein
schon ein wenig invalides Lerz pochte in regeneriertem Angestüm.
Der lang erwartete, lang ersehnte Augenblick war gekommen: die
wertvolle Witwe Niedlich hielt um seine vielseitige, geniale, schöp-
ferische Land an! Er sah sich schon an ihrer umfangreichen Seite
durch die Straße, durchs Viertel, durchs Leben stolziere». „Lerr
Federlich," lispelte sie und ihr Mund schien seinen Namen zärtlich
zu liebkosen, „Sie wissen wohl, daß meine Köchin dienstverpflichtet
wurde. Möchten Sie in Ihrer freien Zeit nicht bei mir aushelfen?
Ich zahle natürlich den üblichen Stundenlohn."
In seinem Sekretärs-, in seinem Künstler-, in seinem Mannes-
stolz gebrochen, wankte Lerr Federlich von dannen. 3. F.
Einige praktische Vorschläge für Ferienhaltende
1. Mit dem Strome schwimmen
2. Sich im eigenen Glanze sonnen
Z. Einkehr bei sich selbst halten
4. Aus der Laut fahren.
Lerr Federlich
war Witwe, ihre wachsende Sympathie erwuchs vielleicht weniger
fachlichen Gründe». Diese Vermutung war Lerrn Federlich durchaus
nicht unangenehm. Warum sollte eine wertvolle Dame sich nicht
einen wertvollen Mann ersehnen? Er war ja schließlich keine schlechte
Partie und brachte eine Reihe brauchbarer Kochrezepte in die Ehe
, mit. And was ihm in seinem herbstlichen Lebensstadium a» natür-
licher Wärme des Gefühles mangelte, das ersetzte er durch erkochte
Kalorien.
Er überbot sich in Löslichkeiten und Reverenzen, wenn immer
er Frau Niedlich begegnete, und auch ihr Lächeln wurde von Tag
zu Tag huldvoller. War es Zufall, daß sie jetzt viel häufiger auf
der Treppe erschien? Lauerte sie etwa gar hinter ihren Gardinen
auf seine Leimkehr? Von der Stunde, da ihm dieser beglückende
Verdacht aufstieg, gewann Frau Niedlich immer größeren Raum
in seinem Innenleben. Seine sonst so wohldisziplinierten Gedanken
schweiften ständig von den Akten ab, er ertappte sich auf Geistes-
abwesenheiten, zu denen ihm kein Arlaub erteilt wurde, Feder
wie Kochlöffel verübten Fehlleistungen, die keinen anderen Schluß
zuließen: er war verliebt. Ein Zustand, der ihn mit geheimem Wohl-
behagen erfüllte, obschon sein strenges Sekretärsgewissen Zustand
wie Wohlbehagen entschieden mißbilligte. Dieser bedenkliche Zustand
gewann noch an Intensität, als eines Tages Frau Niedlich gar das
Wort an ihn richtete und ihm Komplimente wegen seiner Kochkunst
machte, von der nicht nur das Laus, sondern auch die Straße, ja
das ganze Viertel voll höchsten Lobes sei. Lerr Federlich wußte
kaum sein Entzücke» zu bändigen: Frau Niedlich, die Stolze, Unnah-
bare machte ihm den Los, warb um ihn! Welchem andern Mann
im Lause, in der Straße, im Viertel war Gleiches widerfahren?
Seine ohnehin beträchtliche Selbstachtung wuchs ins Angemessene.
Von nun an zog ihn Frau Niedlich bei jeder Begegnung ins
Gespräch. Das fällige Mahl, das derzeitige Angebot an Gemüsen,
die Sonderzuteilung an Leringen, die vergangene, gegenwärtige
100
und künftige Wetterlage boten unerschöpflichen Stoff für freund-
schaftlichen Gedankenaustausch. Aeber Blaukraut und Spinat, durch
Nässe und Kälte tasteten die Lerzen einander näher. Mit höchster
Spannung blickte Lerr Federlich den Fortsetzungen des Romans
entgegen, in den er leibhaftig geraten war. Man konnte nicht ewig
bei Kohl »nd Kraut, Wind und Wetter und ähnlichen lyrischen
Themen bleiben.
Lerr Federlich, der scharfsinnige Psychologe, hatte recht. Eines
Tages, als Frau Niedlich ihm wieder begegnete, verklärte sich ihr
Antlitz, und sie zwitscherte liebenswürdig: „Darf ich Sie einen
Augenblick zu mir bitten?" Beflügelt schwebte Lerr Federlich in
ihre Gemächer. Frau Niedlich nötigte ihn in einen Sessel. Sein
schon ein wenig invalides Lerz pochte in regeneriertem Angestüm.
Der lang erwartete, lang ersehnte Augenblick war gekommen: die
wertvolle Witwe Niedlich hielt um seine vielseitige, geniale, schöp-
ferische Land an! Er sah sich schon an ihrer umfangreichen Seite
durch die Straße, durchs Viertel, durchs Leben stolziere». „Lerr
Federlich," lispelte sie und ihr Mund schien seinen Namen zärtlich
zu liebkosen, „Sie wissen wohl, daß meine Köchin dienstverpflichtet
wurde. Möchten Sie in Ihrer freien Zeit nicht bei mir aushelfen?
Ich zahle natürlich den üblichen Stundenlohn."
In seinem Sekretärs-, in seinem Künstler-, in seinem Mannes-
stolz gebrochen, wankte Lerr Federlich von dannen. 3. F.
Einige praktische Vorschläge für Ferienhaltende
1. Mit dem Strome schwimmen
2. Sich im eigenen Glanze sonnen
Z. Einkehr bei sich selbst halten
4. Aus der Laut fahren.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wonderful, er benimmt sich wie ein Amerikaner!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5117, S. 100
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg