Aus Helgoland.
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anderst, als daß Sie damit einverstanden ist. Uebrigens habe
ich schon länger als ein Jahr nicht mit ihr gesprochen."
„Wie —erwiderte der Geistliche, „Sie waren nicht
bei Ihrer Braut — woher wissen Sie denn, daß sie noch ge-
sonnen ist, Sie zu heirgthen?"
„Ei, weßhalb läßt man mich denn nicht abreisen," sagte
| William ausbrausend, „weßhalb hält man mich denn seit 18
' Monaten hier gefangen?"
„Ich sehe, mein Herr," entgegncte der Geistliche in sehr
ernster Weise, „daß Sie sich in einem bedeutenden Irrthume
j befinden, denn die Sache ist nicht so einfach, wie Sic glauben.
Ich bin selbst der Meinung, ja ich bin sogar überzeugt, man
läßt Sie nicht von Helgoland abreisen, wenn Sie nicht zuvor
das von Ihnen betrogene Mädchen heirathen, damit ist aber
nicht gesagt, daß Frieda Sie jetzt noch anuimmt, nachdem Sie
dieselbe trotz Ihrer Schwüre so lange vcrnachläßigten."
„Nun," rief William, seine Ungeduld mühsam zügelnd,
j „was soll es denn geben, wenn ich jetzt bereit bin das Mädchen
zu heirathen, dieses aber seine Einwilligung nicht gibt?"
„Dann gibt es eben keine Hochzeit", erwiderte der Geist-
liche.
„Das ist natürlich!" rief der Engländer, „aber ich habe
j dann doch gethan, was man von mir verlangte, und werde dann,
wie ich hoffe, ungehindert abreisen können?"
„Das möchte ich bezweifeln," war des Geistlichen trockene
Antwort, „Sie wissen ja, daß man unbedingt Ihre Heirath
! mit Frieda verlangt."
„Wenn sie aber nicht will—ich kann sie nicht zwingen?"
unterbrach ihn jener mit Heftigkeit.
„Nein," war die ruhige Antwort, „Zwang kann und darf
! nicht statt finden, wie ich Ihnen bereits gesagt habe."
„Was soll ich denn aber thun," fuhr William fort,
„am Ende werde ich das Mädchen noch bitten müssen, daß sie
mir den Gefallen erzeigt, mich zu heirathen? Das wäre doch in
der That sehr sonderbar; ich will sie nicht heirathen, und soll
sie doch bitten, mich zu heirathen, — das ist doch ganz uner-
hört."
„Thun Sie was Ihnen beliebt," schloß der Geistliche die
Unterhaltung, „nur das Eine kann und muß ich Ihnen sagen:
Sie müssen mit Ihrer Braut und deren Großvater eine Ehe-
beredung, einen schriftlichen Contract bei dem hiesigen Vorstande
errichten, und mir diese bestätigte Urkunde bringen. Dann steht
Ihrer Trauung nichts mehr im Wege."
In der leidenschaftlichsten Auftegung verließ der junge Mann
die Wohnung • des Geistlichen. Er lies an den Strand, vielleicht
in der Absicht, sich in das Meer zu stürzen, um seinen Grimm
in den salzigen Fluthen zu begraben: es kam aber nicht dazu.
Er versäumte an diesem Tage das Essen, und kam erst spät
nach Hause.
Wieder brütete er vierzehn Tage über neuen Plänen, dann
ging er einigemale des Abends spät aus. Sein stätcr Aufpas-
ser sah ihn um das Haus Frieda's schleichen. Wahrscheinlich
hoffte er sie einmal sehen und sprechen zu können. Es gelang
ihm jedoch nicht.
Rach einigen Tagen schrieb er einen kurzen förmlichen
Brief an Frieda, worin er sich bereit erklärte, sein Wort einzu-
lösen und sie zu heirathen.
Er erhielt keine Antwort.
Er wartete acht Tage — aber vergebens. Nun schrieb er
einen ähnlichen Brief an den alten Jan. Auch von diesem erhielt
er keine Antwort.
Es blieb ihm zuletzt nichts übrig — er mußte, was er so
gerne vermeiden wollte, er mußte den alten Jan und dessen
Enkelin aufsuchen und sein Anliegen mündlich Vorbringen.
Wohl schlug das Herz dem Sünder, als er das Haus be-
trat — und als er es nach etwa einer Stunde wieder verließ
waren die Mienen des jungen Mannes ganz zerstört, und man
sah, daß er geweint hatte — gewiß hatte ihm der alte Groß-
vater scharf in das Gewissen geredet.
Abermals mußte William sich einige Tage gedulden, da
ließ ihm Jan sagen, er habe seine Enkelin vorbereitet, sie wolle
den nächsten Sonntag nach dem Gottesdienste seinen Besuch an-
nehmen, und hören, was er zu seiner Entschuldigung zu sagen
habe.
Wie diese erste Unterredung ausgefallen ist, wie weit er
mit seiner Braut kam, das weiß ich nicht. Frieda gab später
seinen dringenden Bitten nach: „aus Rücksicht auf die große
Reue, welche William zeigte, und weil sie ihrem Kinde einen '
ehrlichen Namen verschaffen wolle," und gab noch einmal das
Jawort.
Bald war William wieder heimisch in dem so lange ge-
miedenen Hause und verweilte vom ftühen Morgen bis zum
späten Abende dort, — ob aus wicdererwachter Liebe zu der
! schönen Braut, oder wegen seinem Söhnchen, das ein leibhaftes
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anderst, als daß Sie damit einverstanden ist. Uebrigens habe
ich schon länger als ein Jahr nicht mit ihr gesprochen."
„Wie —erwiderte der Geistliche, „Sie waren nicht
bei Ihrer Braut — woher wissen Sie denn, daß sie noch ge-
sonnen ist, Sie zu heirgthen?"
„Ei, weßhalb läßt man mich denn nicht abreisen," sagte
| William ausbrausend, „weßhalb hält man mich denn seit 18
' Monaten hier gefangen?"
„Ich sehe, mein Herr," entgegncte der Geistliche in sehr
ernster Weise, „daß Sie sich in einem bedeutenden Irrthume
j befinden, denn die Sache ist nicht so einfach, wie Sic glauben.
Ich bin selbst der Meinung, ja ich bin sogar überzeugt, man
läßt Sie nicht von Helgoland abreisen, wenn Sie nicht zuvor
das von Ihnen betrogene Mädchen heirathen, damit ist aber
nicht gesagt, daß Frieda Sie jetzt noch anuimmt, nachdem Sie
dieselbe trotz Ihrer Schwüre so lange vcrnachläßigten."
„Nun," rief William, seine Ungeduld mühsam zügelnd,
j „was soll es denn geben, wenn ich jetzt bereit bin das Mädchen
zu heirathen, dieses aber seine Einwilligung nicht gibt?"
„Dann gibt es eben keine Hochzeit", erwiderte der Geist-
liche.
„Das ist natürlich!" rief der Engländer, „aber ich habe
j dann doch gethan, was man von mir verlangte, und werde dann,
wie ich hoffe, ungehindert abreisen können?"
„Das möchte ich bezweifeln," war des Geistlichen trockene
Antwort, „Sie wissen ja, daß man unbedingt Ihre Heirath
! mit Frieda verlangt."
„Wenn sie aber nicht will—ich kann sie nicht zwingen?"
unterbrach ihn jener mit Heftigkeit.
„Nein," war die ruhige Antwort, „Zwang kann und darf
! nicht statt finden, wie ich Ihnen bereits gesagt habe."
„Was soll ich denn aber thun," fuhr William fort,
„am Ende werde ich das Mädchen noch bitten müssen, daß sie
mir den Gefallen erzeigt, mich zu heirathen? Das wäre doch in
der That sehr sonderbar; ich will sie nicht heirathen, und soll
sie doch bitten, mich zu heirathen, — das ist doch ganz uner-
hört."
„Thun Sie was Ihnen beliebt," schloß der Geistliche die
Unterhaltung, „nur das Eine kann und muß ich Ihnen sagen:
Sie müssen mit Ihrer Braut und deren Großvater eine Ehe-
beredung, einen schriftlichen Contract bei dem hiesigen Vorstande
errichten, und mir diese bestätigte Urkunde bringen. Dann steht
Ihrer Trauung nichts mehr im Wege."
In der leidenschaftlichsten Auftegung verließ der junge Mann
die Wohnung • des Geistlichen. Er lies an den Strand, vielleicht
in der Absicht, sich in das Meer zu stürzen, um seinen Grimm
in den salzigen Fluthen zu begraben: es kam aber nicht dazu.
Er versäumte an diesem Tage das Essen, und kam erst spät
nach Hause.
Wieder brütete er vierzehn Tage über neuen Plänen, dann
ging er einigemale des Abends spät aus. Sein stätcr Aufpas-
ser sah ihn um das Haus Frieda's schleichen. Wahrscheinlich
hoffte er sie einmal sehen und sprechen zu können. Es gelang
ihm jedoch nicht.
Rach einigen Tagen schrieb er einen kurzen förmlichen
Brief an Frieda, worin er sich bereit erklärte, sein Wort einzu-
lösen und sie zu heirathen.
Er erhielt keine Antwort.
Er wartete acht Tage — aber vergebens. Nun schrieb er
einen ähnlichen Brief an den alten Jan. Auch von diesem erhielt
er keine Antwort.
Es blieb ihm zuletzt nichts übrig — er mußte, was er so
gerne vermeiden wollte, er mußte den alten Jan und dessen
Enkelin aufsuchen und sein Anliegen mündlich Vorbringen.
Wohl schlug das Herz dem Sünder, als er das Haus be-
trat — und als er es nach etwa einer Stunde wieder verließ
waren die Mienen des jungen Mannes ganz zerstört, und man
sah, daß er geweint hatte — gewiß hatte ihm der alte Groß-
vater scharf in das Gewissen geredet.
Abermals mußte William sich einige Tage gedulden, da
ließ ihm Jan sagen, er habe seine Enkelin vorbereitet, sie wolle
den nächsten Sonntag nach dem Gottesdienste seinen Besuch an-
nehmen, und hören, was er zu seiner Entschuldigung zu sagen
habe.
Wie diese erste Unterredung ausgefallen ist, wie weit er
mit seiner Braut kam, das weiß ich nicht. Frieda gab später
seinen dringenden Bitten nach: „aus Rücksicht auf die große
Reue, welche William zeigte, und weil sie ihrem Kinde einen '
ehrlichen Namen verschaffen wolle," und gab noch einmal das
Jawort.
Bald war William wieder heimisch in dem so lange ge-
miedenen Hause und verweilte vom ftühen Morgen bis zum
späten Abende dort, — ob aus wicdererwachter Liebe zu der
! schönen Braut, oder wegen seinem Söhnchen, das ein leibhaftes
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Auf Helgoland"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 25.1856, Nr. 588, S. 94
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg