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Der gefällige Pastor.

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hatte. Dann sah er, wie der Herr Pastor den Beutel un-
schlüssig zur Erde setzte und überlegte, wie in aller Welt er
ihn nur heimschafsen solle, daun wie er ihn wieder über die
rechte Schulter nahm und nach einer Weile ans die linke
und damit häufig abwechselte, daun wieder, wie er beide Arme
über der Brust kreuzte und den Beutel darauf ruhen ließ,
alle paar hundert Schritte stehen blieb, den Beutel absetzte,
sich die Arme einrenkte und die Hände rieb, als ob er Krampf
d'rin hätte, kurz alle die Manöver machte, die er selbst vorhin
vergeblich erprobt hatte. Und keine Menschenseele ließ sich ans
der Straße sehen und die Sonne brannte wie glühendes
Feuer nur so vom Himmel herunter.

So ging's mehrere Stunden lang und es dämmerte schon,
als der Pastor mit seiner schweren Bürde in der Nähe seines
Heimathdörfchens anlangte, während ihm der Schweiß in Strö-
men von Stirn und Wangen lief. Nun endlich, dachte Meister
David, der immer seine 200 Schritte hinter ihm auf dem ver-
deckten Seitenwege geblieben war, daß cs an der Zeit sei,
sich wieder nach seinem Beutel umzusehen. Er beschleunigte
daher seine Schritte und stand plötzlich am Eingänge des Dörf-
chens dicht neben seinem triefenden Pastor und sich stellend,
als ob er vor lauter Anstrengung erst gar nicht zu Athem
kommen könne, rief er: „Na, endlich! Donnerwetter! Ehr-

wörden! Sei hewwet aber ’n Swärenothsschritt an Liwe, dat
kein Mönsche nich nakommen kann!"

„Wie so? Warum das? Und was geht's ihn an, was
ich für einen Schritt gehe, Meister David Frühauf", erwi-
derte der Pastor etwas ärgerlich, den Beutel hinter sich, so
gut es ging, verbergend.

„dia, nist vor ungut, Ehrwörden", erwiderte Meister
David schmunzelnd, „ik wolle mik man minen Büdel wedder
langen, dän ik vor den Härrcn Ammetmann uter Stadt salt
hewwe. Seiht her, hi is dä Breis datau. Ik harr' ön inst-

weilen op der Strate stahn laten, weil ik'n Krampf
in beiden Armen harre. Dat is 'n mordswärer
Büdel, Ehrwörden."

„So! er also hat den Beutel dahin gestellt",
fuhr ihn der Pastor zornig an. „Warum rief Er
mir aber nicht zu, als ich in seiner Nähe war,
Meister Frühauf?"

„Tja! dat ging nich, Ehrwörden, 't ging
durchut »ich. Dat härre sik nich schikt", antwortete
Meister David, sich nicht aus der Fassung bringen
lassend.

„Warum nicht geschickt? frag' ich", zürnte der
Pastor. „Es wäre vielmehr seine verfluchte Pflicht
und Schuldigkeit gewesen, weiß Er das?"

„Nä! nä! Ehrwörden", erwiderte Meister Da-
vid, verschämt mit den Augen blinzelnd, „ik weit
böter, wat ik meinem Herrn Pastor schuldig bin.
Wenn Sei 't durchut wetten willt", und er flüsterte
leiser, „ik sat grade hinnern Busche un verrichtete
mit schuldigem Respekt tan seggen mine Nodorft. Na!
un da konn' ik Sei doch nich anrnpen, Ehrwörden."

„Aber er konnte doch hinter mir Herkommen und mich
einholen!" fuhr der Pastor höchst ärgerlich fort, „um mir die
schwere Bürde abzunehmen."

„Tja, Ehrwörden, dat woll' ik ok", erwiderte Meister
David feierlich. „Aber Sei hewwet sau '» Swärenothsschritt
an Liwe, dat ik Sei nich wedder inholen konnte. Un uterdem
härr' ik den sakrischen Büdel nich wedder an mik nomen, un
wen» mik Einer glieks lein Daler versproken härre. Wat tan
swär is, is tau swär, dat mot wahr sien. Mik bewwert noch
alle Knoten in Liewc. obglieks ik 'n man annerthalf Stnnnen
wit dragen harre. Nä! dacht' ik, drag ön, wer will, ik nich.
Na! und da mik uter dem bewußt war, dat Sei gar ge-
sellig sind, sau hew' ik 't mit Dank annenomcn, un dachte bi
mik: „Dä hat dik dä leiwe Got in dincr groten Nod taur
Hilpe schickt. Awcr ik will 't nich vergüten un schon mal wcd-
dcr gesellig sien."

Sprach's und nahm dem Herrn Pastor, der höchst un-
wirsch anssah, den Beutel ab und ging damit in's Amthaus.
Aber Abends im Bette fragte ihn seine Frau: „Wat lachst'u
immer sau lise vor Dik Heu, David?" Und da hat er das
kleine Abenteuer der Lise erzählt und die Lise hat erst gezankt
und geschmollt, wic's ein braves Weib nicht anders thun
konnte, daß er Seiner Ehrwürden dem Herren Pastor solchen
Streich gespielt habe, aber als David nun expreß aus dem
Bette stieg und, einen Beutel mit getrockneten Zwetschgen er-
greifend, beim hellen Bollmondlichtc im Hemde alle Manöver
nachmachte, die er den Herrn Pastor hatte machen sehen, nun
da konnte auch Lise das Lachen nicht lassen. „Du bist mik
awcr 'n wunderlicher Heiliger, David!" sagte sie und so ha-
ben sic so lange gekichert und gescherzt, bis sie d'rüber einge-
schlafen sind.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der gefällige Pastor"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Tragen
Schuhmacher
Last
Pfarrer <Motiv>
Versteck
Weg <Motiv>
Dorf <Motiv>
List
Entfernung
Geld
Straße <Motiv>
Rückenfigur
Beobachtung
Heimat
Karikatur
Baum <Motiv>
Schleppen
Beutel <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Kiepe <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 35.1861, Nr. 859, S. 195
 
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