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Croix de l’Hypocondre.

Ein Lebensreisebrief von L. N. Seni.
(Fortsetzung und Schlich.)

Die Sonne machte mir'ö nun gar nicht recht: wozu schien sie
am Tage; da ist's ja ohnedies hell; Nachts, wenn's dunkel
ist, hätte sie scheinen sollen; — eine vorzügliche Fertigkeit
besaß ich darin, Mäuse für Elephanten, Stecknadeln für
Schlachtschwerter, Nußschalen für Kanffahrtheischiffe anzu-
sehen; — recht war mir gar nichts, unzweckmäßig Alles;

— warum regnete es immer heruntcrzn und nicht auch zu-
weilen aufwärts? — warum mußt' ich gerade in diesem
Jahrhundert leben und nicht im Jahre 2000, in dem eine
allheilende Universalmedizin erfunden werden soll? — ver-
fehlter Lebenszweck, Rene über die Vergangenheit, Weltschmerz,
Zerrissenheit, Verkennung meines Genies: diese Stacheln
und Dornen molestirten mich oft und viel; — was ich aber
am wenigsten leiden mochte, das waren die Menschen: diese
Menschen, die sich ihrer Gesundheit freuten, anstatt mit mir
über meine Krankheit zu jammern; diese Menschen mit ihren
hämisch lachenden Gesichtern, die da Wein tranken, saugen
und tanzten, während ich Pillen schluckte, Hydrotherapie
ftudirte und die Straße suchte, die um den Tod herumsührt;

— der Tod, ach ja, der Tod, das war der Mann, dessen
Charakter ich in allen seinen Nüancen durchforschte und dessen
Damokles-Schwert ich fortwährend über meinem Haupte
zucken sah.

Aber wo bleibt nur die Mordgeschichte ans der Flegöre?

An allem diesem Nebel, und an noch viel viel mehr, war
ein einziger Kerl schuld, ein böser Dämon, der mich auf Weg und
Steg verfolgte, wie ein böses Gewissen; der mit mir zu
Bette ging und mit mir aufstand; der mit mir aß und trank
und ftudirte; der nicht von mir ließ in der Einsamkeit und
bei den Menschen, in Stadt und Wald; der mich zu den
Aerzten und in die Bäder, in die Apotheken und in die Turn-

anstalten jagte; der mir stets von der Wichtigkeit der Selbst-
erhaltung vorschwatzte und mich zu einem bcdauernswertheu,
armen Egoisten von grassestem Kaliber machte; der mir fort-
während vorpredigte: laß die ganze Welt untergehn, wenn
nur dein eignes wertstes Ich oben schwimmen bleibt — und
dergleichen wahnsinniges Zeug mehr.

Nun sag': würdest Du einen solchen Kerl nicht ermor-
den? Ist das nicht ein Akt verzweifelter, gerechtester Noth-
wehr?

Ich trat also vor ihn und sprach:

„Bist Du Geselle,

Ein Flüchtling der Hölle?"

So hör' mich an; ich werde Dir nun eine Beschwörungs-
formel mittheilen, daß Dir die Haare borstig zu Berge stehen:
„Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;

Ihr durchstudirt die groß' und kleine Welt,

Um es am Ende geh'n zu lassen,

Wie's G ott gefällt."

In derber Prosa fügt' ich dann noch hinzu: Ich will
nicht mehr krank sein! Ich mag nicht mehr krank sein! Ich
Hab' auch gar keine Zeit mehr dazu, krank zu sein! Dem
finstern, launischen Gotte des Schwersinns Hab' ich. wahrlich
der Opfer genug gebracht; ich werde nun der heitern, launigen
Göttin des Leichtsinns ein Märchen bauen mit der bedeu-
tungsvollen Inschrift: „bl'importe!"

Das wirkte. Sichtlich schrumpfte der Kerl zusammen,
ward blaß und bleich ; und nun dauerte mich der arme Teufel
fast wieder; war er doch so lange mein von mir unzertrenn-
licher Genosse und Gefährte aus einem guten Stücke des
Lebensweges. Ich nahm ihn ganz treuherzig am Arm und
redete ihm tröstlich zu:

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