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82 Farbige Stereoskop-Bilder aus Wien.

Die Tante, je länger sie der Arbeit ihrer Nichten zusah,
desto größere Augen machte sie.

„Weiß Gott," dachte sie, „Arthur hat recht, diese Mäd-
chen stricken ganz cigenthümlich!"

Eben wollte sie eine der Schwestern über diesen Ge-
genstand befragen, als Euphrosine mit Entsetzen den Blick
bemerkte, welchen die Tante in das Strickzeug ihrer Nichte
bohrte.

„Hollah!" rief Euphrosine sich zu. „Das Auge der For-
scherin muß abgelenkt werden!" — Gleichzeitig wandte sie
sich zu Arthur und drängte ihn mit den Worten:

„Jetzt haben wir diese Thierc lang genug betrachtet.
Gehen wir zum interessantesten Punkt des Thiergartens, zum
Bärenzwinger. Es sind eben wenig Leute oben, benützen
wir den günstigen Moment."

Man eilte zu dem bezeichneten Punkte.

Da kauerten die Bären träge auf den künstlichen Fels-
blöcken des Zwingers und stierten mit dem Blicke gelangweilter
Engländer auf das verehrte Publikum, das zu ihnen hinabsah.

Schwindels Töchter wandten ihre ganze Koketterie an,
um die Bären ein bischen in Feuer zu bringen. Vergebens.

„Es sind doch rechte Bären!" murmelte Ernestine,
und vergaß dabei, die Nadeln ihrer Strickerei mit jener
Geschwindigkeit zu bewegen, welche, wie wir wissen, so nöthig
war, um die Tante zu täuschen.

Die Tante aber hatte ihre Augen nicht mehr von den
Händen ihrer Nichten abgewandt.

Im unglückseligen Momente des Vergessens, sah sie
deutlich, ans welche Weise Ernestine arbeitete.

„Weiß Gott!" rief sie ihren Nichten zu. „Ihr strickt ja
gar nicht! Ihr macht nur mit den Händen so!... Laßt mich
einmal naher sehen."

Die Schwindelschen Töchter waren wie niederge-
donnert.

Aber wie von einem Gedanken durchzuckt, ließen sie
plötzlich ihre sämmtlichen Strickstrümpfe in den Bärenzwinger
hinabfallen. —

„Doch kein Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbaren Zwinger,"
denn der einzige, der's vielleicht im Stande gewesen wäre,
nänrlich Arthur, er fühlte sich sortgezogen von seiner Mutter,
welche über die grobe Täuschung ihrer Nichten um so mehr
entrüstet war, als sic nun das ganze Netz erkannte, in dem
man sie und ihren Sohn sangen wollte.

Als Mutter und Sohn vom Zwinger herabkamen, fanden
sie Beatrir, die nicht mit hinaufgegangen war, auf einer
Bank sitzen.

Sie blickte traurig vor sich hin, und ließ ihre Hände
mit dem vorgeschriebenen Strickstrumpf im Schooße ruhen.

„Ei, so stricke doch einmal," redete sie die Tante boshaft
an, „damit ich deine Kunstfertigkeit bewundere!"

Beatrir sah sie mit ihren großen blauen Augen an,
und brach in Thräncn aus.

Ein Studentenstreich aus alter Zeit.

„Ja, Sie haben recht!" schluchzte sie. „Ich verdiene
nicht, daß Sie freundlich mit mir seien!.... Wir haben Sie
auf alle Weise belogen— Wir sind nicht so, wie wir uns
vor Ihnen stellten!... Aber glauben Sie mir, nur gezwungen
konnte ich mich zu dem verächtlichen Spiele verstehen....
Man hätte mich geschlagen!.. Ach, ich bereue es.... ich
bettle nun um Ihre Verzeihung.... Ach, haben Sie Mitleid
mit mir, mit einer mutterlosen Waise, die gewiß besser ist,

als die Verhältnisse, in welchen Sie dieselbe fanden_ O,

sind Sie edel und verzeihen Sie..."

Sie sprach so wahr, so tief ergriffen, in ihrem Gesichte
lag ein so klarer Ausdruck ihrer gedrückten, reinen Seele,
daß Arthur und seine Mutter innig gerührt waren.

Mit der Herzlichkeit einer echten deutschen Mutter zog
die Tante ihre Nichte an ihr Herz, und küßte sie auf die
Stirne.

„Sie ist so, wie wir sie gleich erkannten!" flüsterte die
Mutter ihrem Sohne zu, der ihr dankbar zulächelte.

Hierauf verließen Beatrir, Arthur und seine Mutter
den Thiergarten, um in einem der wartenden Wagen nach
Hause zu fahren.

YI.

Epilog.

Mama Mögele und Arthur sind in die Hcimath zurück-
gekehrt.

Beatrir begleitete sie als die Braut des letzteren.

Euphrosine, Irene, Justina, Euphemia und Ernestine
rümpften ein paar Tage lang ihre Naschen, warfen dann
ihre Kattnnkleidcr in die Rumpelkammer, und sind nun in
prachtvoller Toilette regelmäßig Vormittags im Stadtpark
und Nachmittags bei „Weghubcr" zu finden.

Papa Schwindel geht gerade mit der Idee um, ein
„großartiges Comptoir" zu eröffnen, wird aber daran durch
ein Gespenst gehindert, das ihm in Gestalt des drohenden
„Konkurses" überall auf den Fersen folgt.

Was nun die Bären des Thiergarten-Zwingers anbclangt,
so soll einer von ihnen, die Gelegenheit benützend, wirklich
stricken gelernt haben, um nicht gar so gelangweilt und
langweilend dazusitzen.

Ein Studcntenstrcich aus alter Zeit.

„Leb' wohl, mein Heidelberg! Das flotte Leben
Ist nun vorbei, dem Himmel sci's geklagt!

Zum letzten Mal will ich den Blick erheben,
Hinauf, wo hoch die Schloßrninc ragt
Im Morgenglüh'n, von Waldgebirg umgeben —
Jetzt rasch geschwenkt und vorwärts unverzagt.
Bald grüßen mich die Eltern und Geschwister,
Der flotte Bursche wird nun ein Philister!"
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