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Der Str
Betrübniß, daß es dem Tyrolervolke nicht beschieden sein
sollte, endlich einmal die Wogen und Gluten seines Fanatis-
mus betten und glätten zu können.
Bayerisches und französisches Militär lag nun wieder
zahlreich in allen Städten und Flecken des Unterinnthales
und täglich lasen und hörten wir von Scenen des Zusam-
menstoßes mit den Tyrolern.
All dieß also, wie gesagt, hatte uns verdüstert; schwei-
gend saßen wir und blickten in die Nacht hinaus.
Da plötzlich — stiegen drüben in Mitterhall Flammen
empor! Flintengeknall, Trompeten- und Trommeltöne drangen
durch die Stille der Nacht zu unseren Ohren. Kein Zweifel,
dort drüben kämpfte man — und dießmal, in meinem Ge-
burtsdorfe!
Unsere Unruhe war groß, die Nacht eine schreckliche.
Um 11 Uhr mag es gewesen sein, drüben stand das Dorf
in Hellen Flammen, da nahte von der Hallerbrücke her ein
großer Zug Landesvertheidiger, voran die Fahne, in der Hand
eines starken Mannes. Ungestüm begehrte der Trupp Ein-
laß. Wir gehorchten.
Vor uns stand der Strcithanns; er trug die zerfetzte
Fahne und sprach:
„Weicht uns jetzt aus; jetzt sind Wir hier Herren!
Volders wird jetzt wieder eine Festung! — Herrgott, haben
wir darum monatelang im Passeyer, am Similaun und
Oetzthalerferner alle Pässe versperrt und uns mit Wölfen
und Luchsen um einen Braten gerauft, daß wir jetzt doch
den Bayern weichen sollten? Nein! Kampf bis an's Messer!"
„Kampf bis an's Messer!" riefen die Anderen und
drangen ein. Und siehe, auch Margaretha war unter ihnen!
„Ja ja, ich bin's," sprach sie zu mir. „Mich treibt's
halt so umeinander. Ruhe habe ich doch keine mehr auf
Erden, weil mir auch mein Liebstes genommen ist" — und
sie sah mich wehmüthig an — „so denk' ich mir's immer,
der Krieg ist für mich das Best'! Hab' auch schon gelesen,
daß es andere Mädchen grad so gemacht haben! Es wird
wohl so nicht mehr lang dauern!"
„Und warum folgst Du denn dem Streithanns?"
fragte ich.
„Weil er unser Commandant ist geworden, und die
Mitterhaller immer Zusammenhalten; nicht aus Liebe folg'
ich ihm, denn ich habe nur Einen gern gehabt, und Der"
— sie redete nicht aus, sondern fügte rasch hinzu: „Ich soll
ihn heirathen, aber ich mag nicht; Er ist jetzt wohl kein
Wilderer mehr und sonst ein rechtschaffner Bursch, auch ein
gescheidter Commandant, aber schau' — die Lieb' laßt sich
halt nicht anschaffen; und so hoff' ich alleweil, es geschieht
noch Etwas, daß ich ihn nicht zu heirathen brauch'." —
Nun wendete sie sich rasch von mir ab und mischte
sich unter die Schaar.
Der Commandant ergriff nun seine Maßregeln, Volders
wurde wieder eine Feste.
Tags darauf kamen Franz-osen und Bayern vor Volders
angerückt.
eithanns.
Der Kampf entbrannte furchtbar. Der ruinöse Zustand
des Klosters rührt davon her.
Pater Onufrius spendete den Belagerten Wein; dicht
neben den Weinfässern standen Pulverfässer, um das Kloster
in die Luft zu sprengen, wenn es dem Feinde gelingen
sollte, einzudringen."
Pater Onufrius nickte bestätigend mit seinem stattlichen
Haupte, und schien sich auf seinen Muth, der gewiß auch
mit dem entsprechenden Humor versehen gewesen, noch jetzt
viel zu Gute zu thun. —
„Margaretha," fuhr der Prior fort, „lud Gewehre und
feuerte unablässig an zum Widerstande. Absichtlich stellte
sie sich der Todesgefahr blos und spornte das kleine Häuflein
Mitterhaller zu einer verzweifelten Abwehr.
Da traf sic eine feindliche Kugel.
Lautauf schrie der Strcithanns, als er sie fallen sah
und kniete zu ihr nieder. Erschüttert stand ich daneben.
„Ich sterbe," sagte sie, „und das ist mir das Liebste.
Was thät' ich auf der Welt? Hanns, erfülle mir meine
letzte Bitte! Sieh', den Wolfgang hier Hab' ich geliebt, so
tief, daß ich's nicht sagen kann. Auch Dir war ich gut —
aber ich bin nun froh — — daß es so gekommen! Gib
ihm nun die Hand, Hanns! Versprecht mir, daß Ihr ein-
ander nicht hassen wollt, nein, Euch brüderlich beschützen und
meiner im Gebet gedenken wollt Euer Lebelang!"
Da war des Streithanns starrer Sinn erweicht.
Wir reichten uns über der Sterbenden die Hände und
waren versöhnt.
Sie starb ruhig in unseren Armen." —
Hier schwieg der Prior, in Erinnerung versunken.
Alle saßen wir ernst da und ich betrachtete den Bruder
Andreas, den Pförtner, wie er stumm und ernst auf den
Prior sah. Auch Onufrius neigte sich in Erinnerung zurück
und sein heiteres Angesicht zeigte wahre Rührung.
Es fuhr der Prior weiter:
„Rasend geworden durch den Fall Margaretha's voll-
brachten die Vertheidiger wahre Wunder der Tapferkeit;
Viele zwar sanken, getroffen vom tödtlichen, sicheren Blei
der französischen Chasseurs und bayerischen Feldjäger, rück-
wärts von den Fensterbrüstungen und tränkten die langen
Corridore mit ihrem Blute — allein dem Hereinsteigen der
Stürmenden wehrte doch die sich verzehnfachende Thätigkcit
der Ueberlebenden, welche Wuth und Rache spornte.
Allein endlich ermatteten sie — und wenige Augenblicke,
so wären die Feinde Meister des Kampfplatzes und Herren
von Volders geblieben — da, in der höchsten Noth, ertönten
die Trommeln und Pfeifen des Landsturmes von Hall und von
Rattenberg her — wie auf Windesflügeln brauste der Strom
der Vaterlandsvertheidiger, der Befreier herbei —. bald ward
die Belagerung von Volders aufgegeben und die Stürmenden
setzten sich in Fluchtbewcgung. Sie eilten gegen Innsbruck,
wo ihre Hauptmacht stand, die Unseren ihnen nach, und in
einer Stunde waren wir Keines von unseren Feinden mehr
ansichtig. —
Der Str
Betrübniß, daß es dem Tyrolervolke nicht beschieden sein
sollte, endlich einmal die Wogen und Gluten seines Fanatis-
mus betten und glätten zu können.
Bayerisches und französisches Militär lag nun wieder
zahlreich in allen Städten und Flecken des Unterinnthales
und täglich lasen und hörten wir von Scenen des Zusam-
menstoßes mit den Tyrolern.
All dieß also, wie gesagt, hatte uns verdüstert; schwei-
gend saßen wir und blickten in die Nacht hinaus.
Da plötzlich — stiegen drüben in Mitterhall Flammen
empor! Flintengeknall, Trompeten- und Trommeltöne drangen
durch die Stille der Nacht zu unseren Ohren. Kein Zweifel,
dort drüben kämpfte man — und dießmal, in meinem Ge-
burtsdorfe!
Unsere Unruhe war groß, die Nacht eine schreckliche.
Um 11 Uhr mag es gewesen sein, drüben stand das Dorf
in Hellen Flammen, da nahte von der Hallerbrücke her ein
großer Zug Landesvertheidiger, voran die Fahne, in der Hand
eines starken Mannes. Ungestüm begehrte der Trupp Ein-
laß. Wir gehorchten.
Vor uns stand der Strcithanns; er trug die zerfetzte
Fahne und sprach:
„Weicht uns jetzt aus; jetzt sind Wir hier Herren!
Volders wird jetzt wieder eine Festung! — Herrgott, haben
wir darum monatelang im Passeyer, am Similaun und
Oetzthalerferner alle Pässe versperrt und uns mit Wölfen
und Luchsen um einen Braten gerauft, daß wir jetzt doch
den Bayern weichen sollten? Nein! Kampf bis an's Messer!"
„Kampf bis an's Messer!" riefen die Anderen und
drangen ein. Und siehe, auch Margaretha war unter ihnen!
„Ja ja, ich bin's," sprach sie zu mir. „Mich treibt's
halt so umeinander. Ruhe habe ich doch keine mehr auf
Erden, weil mir auch mein Liebstes genommen ist" — und
sie sah mich wehmüthig an — „so denk' ich mir's immer,
der Krieg ist für mich das Best'! Hab' auch schon gelesen,
daß es andere Mädchen grad so gemacht haben! Es wird
wohl so nicht mehr lang dauern!"
„Und warum folgst Du denn dem Streithanns?"
fragte ich.
„Weil er unser Commandant ist geworden, und die
Mitterhaller immer Zusammenhalten; nicht aus Liebe folg'
ich ihm, denn ich habe nur Einen gern gehabt, und Der"
— sie redete nicht aus, sondern fügte rasch hinzu: „Ich soll
ihn heirathen, aber ich mag nicht; Er ist jetzt wohl kein
Wilderer mehr und sonst ein rechtschaffner Bursch, auch ein
gescheidter Commandant, aber schau' — die Lieb' laßt sich
halt nicht anschaffen; und so hoff' ich alleweil, es geschieht
noch Etwas, daß ich ihn nicht zu heirathen brauch'." —
Nun wendete sie sich rasch von mir ab und mischte
sich unter die Schaar.
Der Commandant ergriff nun seine Maßregeln, Volders
wurde wieder eine Feste.
Tags darauf kamen Franz-osen und Bayern vor Volders
angerückt.
eithanns.
Der Kampf entbrannte furchtbar. Der ruinöse Zustand
des Klosters rührt davon her.
Pater Onufrius spendete den Belagerten Wein; dicht
neben den Weinfässern standen Pulverfässer, um das Kloster
in die Luft zu sprengen, wenn es dem Feinde gelingen
sollte, einzudringen."
Pater Onufrius nickte bestätigend mit seinem stattlichen
Haupte, und schien sich auf seinen Muth, der gewiß auch
mit dem entsprechenden Humor versehen gewesen, noch jetzt
viel zu Gute zu thun. —
„Margaretha," fuhr der Prior fort, „lud Gewehre und
feuerte unablässig an zum Widerstande. Absichtlich stellte
sie sich der Todesgefahr blos und spornte das kleine Häuflein
Mitterhaller zu einer verzweifelten Abwehr.
Da traf sic eine feindliche Kugel.
Lautauf schrie der Strcithanns, als er sie fallen sah
und kniete zu ihr nieder. Erschüttert stand ich daneben.
„Ich sterbe," sagte sie, „und das ist mir das Liebste.
Was thät' ich auf der Welt? Hanns, erfülle mir meine
letzte Bitte! Sieh', den Wolfgang hier Hab' ich geliebt, so
tief, daß ich's nicht sagen kann. Auch Dir war ich gut —
aber ich bin nun froh — — daß es so gekommen! Gib
ihm nun die Hand, Hanns! Versprecht mir, daß Ihr ein-
ander nicht hassen wollt, nein, Euch brüderlich beschützen und
meiner im Gebet gedenken wollt Euer Lebelang!"
Da war des Streithanns starrer Sinn erweicht.
Wir reichten uns über der Sterbenden die Hände und
waren versöhnt.
Sie starb ruhig in unseren Armen." —
Hier schwieg der Prior, in Erinnerung versunken.
Alle saßen wir ernst da und ich betrachtete den Bruder
Andreas, den Pförtner, wie er stumm und ernst auf den
Prior sah. Auch Onufrius neigte sich in Erinnerung zurück
und sein heiteres Angesicht zeigte wahre Rührung.
Es fuhr der Prior weiter:
„Rasend geworden durch den Fall Margaretha's voll-
brachten die Vertheidiger wahre Wunder der Tapferkeit;
Viele zwar sanken, getroffen vom tödtlichen, sicheren Blei
der französischen Chasseurs und bayerischen Feldjäger, rück-
wärts von den Fensterbrüstungen und tränkten die langen
Corridore mit ihrem Blute — allein dem Hereinsteigen der
Stürmenden wehrte doch die sich verzehnfachende Thätigkcit
der Ueberlebenden, welche Wuth und Rache spornte.
Allein endlich ermatteten sie — und wenige Augenblicke,
so wären die Feinde Meister des Kampfplatzes und Herren
von Volders geblieben — da, in der höchsten Noth, ertönten
die Trommeln und Pfeifen des Landsturmes von Hall und von
Rattenberg her — wie auf Windesflügeln brauste der Strom
der Vaterlandsvertheidiger, der Befreier herbei —. bald ward
die Belagerung von Volders aufgegeben und die Stürmenden
setzten sich in Fluchtbewcgung. Sie eilten gegen Innsbruck,
wo ihre Hauptmacht stand, die Unseren ihnen nach, und in
einer Stunde waren wir Keines von unseren Feinden mehr
ansichtig. —