Fliegende Blätter (59.1873 (Nr. 1459-1484))

Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst--M M Erscheinen wöchentl. ein Mal. Supscriptions- „ Av
h and luu g eu, sowie von allen Po stämte ru und jM W vreis für den Band von2U Numm. 8 fl. 54 kr. ' ^
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Der allegorische Marzipan.
(Schluß.)

Aber nach mehreren Wochen, als ich um die Mittagsstunde
an demselben Ort an meinein gewöhnlichen Platze saß, erblickte
ich in einer entfernten Ecke des Spielzimmers denselben Mann.
Jetzt mußte ich Gewißheit haben. Ich stand auf und
näherte mich. Er suchte sich zwar zu verbergen und nahm eine
Zeitung zur Hand, doch mußte ich um jeden Preis sein Gesicht
sehen. Es war wirklich der alte Kaspar. Er war offenbar
verlegen, daß er endeckt worden. Auf meine Frage, was
er in der Stadt mache, antwortete er, daß er im Aufträge der
Familie in Geschäften anwesend sei und Einkäufe und Bestellungen
zu besorgen habe, und auf meine Erkundigung, ob er nicht
gleichfalls vor längerer Zeit auch eines Abends hier gewesen sei,
gestand er zögernd, daß dieß wohl möglich sein könne. Er
blieb einsilbig und um nur etwas zu reden, brachte er jetzt vor,
wie das Reitpferd Bessy täglich williger und gesetzter werde und
daß die braune Stute ein Füllen bekommen habe. Dabei ruhte
der Blick des treuherzigen alten Gesellen recht theilnehmend auf
mir, und ich bemerkte, daß seine Mienen sogar Traurigkeit
ausdrücktcn. Vielleicht that es ihm leid, daß ich so abgemagert
nussah. Schließlich empfahl er sich unter dem Vorwand, daß
er Eile habe. Ich gab ihm viele Grüße mit auf den Weg.
Später verbesserte sich mein Einkommen in Etwas, da ich
die Vorbereitung eines Primaners für das Abiturienten-Examen
! übernahm.
Im letzten Monate des academischen Jahres wurde ich
^ durch ein räthselhaftes Geschenk überrascht. Ein fremder Herr
war nach der Aussage meiner Miethsgeber in meiner Abwesen-
! heit erschienen und hatte ein Schreiben für mich zurückgelassen.
Als ich es öffnete, fand ich eine Hundcrtguldennote. Die Adresse
lautete ganz genau an mich, die Schriftzüge waren mir unbekannt,

und es hieß darin, daß ein alter Freund meines seligen Vaters
mit dem inliegenden Betrage eine kleine Schuld zurückbezahle,
die er einst bei diesem gemacht Hütte. Der Name thuc nichts
zur Sache, fügte der anonyme Schreiber bei, ich möge nur
einfach im Annoncenblatte der „Presse" mit den Worten „Richtig
erhalten, Gustav Hell" den Empfang bestätigen. Die Sache
schien mir wohl etwas sonderbar und ich hatte anfangs Groß-
mütterchen oder den Präsidenten in Verdacht. Doch grübelte
ich nicht lange darüber nach. Ich dünkte mich jetzt reich wie
ein König, und verwendete einen Theil des Betrages, um mich
zu dem bevorstehenden Ferienbesuche neu zu cquipire». Zum
Staatsexamen konnte ich mich erst im folgenden Jahre melden;
so machte ich denn jetzt je aus den einzelnen Disciplinen ein
Colloquium zur großen Befriedigung meiner Professoren.
Nun stand meinem Ausflug und dem Wiedersehen in
Maximiliansruhe nichts mehr entgegen, und ich trat fröhlich
meine Reise an.
Es gehört doch wahrlich blutwenig dazu, um glücklich zu
sein. Besonders wenn man jung ist, ein gutes Gewissen und
das Bewußtsein in sich trägt, seine Pflicht gethan und auch
unter Hindernissen und Schwierigkeiten aller Art etwas Tüchtiges
vor sich gebracht zu haben. Dann schmecken Ruhe und Erhol-
ung doppelt süß.
So kam mir auch jetzt, als ich im Waggon saß und dem
gastfreundlichen Tusculum des Präsidenten entgegenrollte, an
Zufriedenheit und innerer Glückseligkeit Niemand gleich, und ich
zählte die Bahnstationen, die ich noch zu durcheilen hatte.
Bei der letzten erwarteten mich Kaspar und Mathias, und
jetzt ging es noch zu Wagen eine Stunde weit.

IS