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106

Die Hochzeitreise.

Schweiz werde ich doch meinen runden Hut mit dem breiten
Rande tragen müssen. Der Hut ist allerliebst, ich danke Dir."
„In der Schweiz?" fragte Franz erstaunt. „Wir wollen
ja wieder Heimreisen."
„Ach ja, es ist ja wahr," sagte Elise, und das Lächeln
^ verschwand von ihren Lippen.
„Der Wagen steht schon vor der Thüre. Aber wenn Du
willst, können wir ihn zur Fahrt nach Homburg benützen"',
fügte Franz hinzu, „es ist ein offener Wagen und das Wetter
ist wundervoll."
Die junge Frau seufzte tief auf.
„Ach, wenn Du nur nicht über meine» Kummer so roh
gelacht hättest!" sagte sie.
„Wann habe ich das gethan, Schatz?"
„Im Coups."
„Lieber Gott, ich habe ja nicht über Dich gelacht."
„So worüber denn?"
„lieber den köstlichen Hinterlader in meiner Rocktasche,
über das entsetzte Gesicht Deiner Tante, als der Pfropfen ihre
Nase traf."
„Wie war das doch? Du hast mir ja nichts davon
erzählt."
Franz schlang den Arm um die Taille seines Weibchens,
sie duldete es, ja sie lachte recht hell und lustig, als er ihr
das Ereigniß berichtet hatte.
Die Friedenspräliminarien hatten begonnen, der neue Hut
leitete sie ein, ein Kuß besiegelte den Vertrag.
Jetzt konnten Beide nicht begreifen, daß eine solche
Bagatelle sie so lange entzweit hatte. Jedes wollte allein die Schuld
haben, sie nahmen sich vor, nie wieder so eigensinnig zu sein.
Scherzend und lachend fuhren sie ab, scherzend und lachend
kamen sie in Homburg an.
„An der Bank wollen wir aber unser Glück auch ver-
suchen," sagte Elise, als sie kaum im Gasthofe Hut und Tuch
abgelegt hatte, „einige Gulden mußt Du opfern."
„Glück in der Liebe, Unglück im Spiel", antwortete
Franz bedenklich.
„Das ist ein albernes Sprichwort, ein kleines Opfer
können wir immerhin bringen."
Der junge Mann runzelte leicht die Stirne, es war gegen
seine Grundsätze, dem Hazardspiel zu opfern.
„Dir zu Liebe will ich es thun", sagte er ernst, „aber
es ist nicht gut, die Leidenschaften zu wecken."
„Fürchtest Du, ich könne ihre Sklavin werden?" scherzte Elise.
„O, ich bin stark, die Leidenschaft hat über mich keine Gewalt.
Aber wenn Du nicht willst —"
„Ich halte es für besser, wenn wir es unterlassen!"
„Meine Freundinnen werden mich natürlich fragen, ob ich
auch mein Glück im Spiel versucht habe, dann muß ich ihnen
sagen, mein Gatte sei zu furchtsam gewesen —"
„Hm, eine vernünftige Freundin wird mir alsdann
Recht geben!"
„Franz, sprich doch nicht so thöricht! Wenn ich zehn
Gulden verloren habe, höre ich auf."

Der junge Mann sah das Gewitter wieder nahen, er
kam ihm zuvor, indem er seinem Weibchen die Erlaubniß gab,
das Opfer zu bringen.
Eine Stunde später befanden sie sich am grünen Tisch. !
Franz machte seine Gattin auf die Spieler aufmerksam, ,
aber wenn er hoffte, daß die Physiognomien derselben ihr einen !
Abscheu vor dem Spiel einflößen würden, so sollte er sich in dieser
Hoffnung getäuscht sehen.
Sie warf einen Gulden auf noir und gewann, sie ver-
doppelte den Satz und gewann wieder.
Triumphirend blickte sie zu ihm auf, in demselben Augen-
blick fühlte Franz eine Hand auf seiner Schulter. Er wandte !
sich um, ein Herr und eine Dame standen vor ihm.
„Herr Rehborn?" fragte der Herr in zweifelndem Tone. !
„Franz Rehborn — Himmel mein alter Freund Werner! !
Wie geht es Dir, mein Junge, wir haben uns seit zehn
Jahren nicht mehr gesehen."
„Meine Schwester!" stellte der Herr die junge Dame vor.
„Ach, das trifft sich herrlich", sagte Franz erfreut, „er-
laube, daß ich meine Gattin —"
„Störe Sie nicht, warten wir bis später."
Der düstere Ernst Werner's mußte dem jungen Manne
auffallen, kopfschüttelnd folgte er ihm zu dem Divan, der in ^
einer entfernten Ecke des Saales stand.
„Du bist nicht mehr der Alte", sagte er, „damals warst
Du so heiter, so lebenslustig —"
„Lassen wir das", unterbrach Werner ihn kalt, „nicht
Jeder kann Sonnenschein auf seinen Wegen verlangen."
„Du bist unglücklich?"
„Bah, es ist nicht der Rede Werth, darüber zu sprechen."
Fragend blickte Franz die junge Dame an, sie nickte
leicht mit dem Kopfe.
„Nun Du weißt doch, daß ich damals Dein bester Freund
war," sagte er, „ich bin es auch heute noch, wenn ich —"
„Mir kann Niemand helfen, und ich wünsche auch nicht,
daß mir geholfen werde!"
„Werner, ich fürchte, Du hast Kotzebuc's Verzweiflung
studirt —"
„Ach was — reden wir nicht weiter darüber, vielleicht !
reden wir nach Jahren einmal darüber. Du bist Kaufmann?"
„Ja. Und Du?"
„Ich bin Komödiant!"
Es lag eine so herbe Bitterkeit in dem Tone, in welchem
Werner dieses Wort sprach, daß Franz sich nicht enthalten :
konnte, ihn betroffen anzuschauen.
„Ich bin hier engagirt", fuhr Werner nach einer Pause
fort, „meine Schwester will sich auch dem Theater widmen,
— nun die Monate verstreichen, und dann finden wir eine
andere Heimath. Wir sind Zugvögel und haben keine bleibende
Stätte!"
„Wie bitter Du das sagst!"
„Und doch ist er der Liebling des Publikums", warf die
Dame ein.
„Auf der Bühne ist er ein ganz Anderer."

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