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Wohnungsnot h.
(Fortsetzung.)

Früh am nächsten Morgen, es war Sonntag, versammelten
sich die Bauern der umliegenden Dörfer ans dem Marktplatze
mit gewichsten Stiefeln und rothen Parapluies, wo sie den
Vormittag mit Herumstehen zubrachtcn, bis cs der religiöse An-
stand ihnen erlaubte, in's Wirthshaus zu gehen.
Es war ein schöner, heiterer Morgen, und zeitlich füllte
sich der Platz mit Landlcuten beiderlei Geschlechts; auch ehr-
bare Bürger des Städtchens kamen zum Vorschein, Bäcker,
Fleischhauer und Kaufmann öffneten ihre Gewölbe und
das erste Geläute vom Kirchthnrm verkündete: Der Sonn-
tag ist da.
Während sich nun Jeder seinen speziellen Sonntagsempfind-
ungen hingab, warf zufällig einer der Landbewohner seinen
Blick auf die Drcifaltigkeitsstatue. Ein Ausruf des Erstaunens
schreckte alle um ihn Stehenden aus ihren Träumereien auf, er
, deutete mit dem Zeigefinger nach der Statue, Aller Blicke
folgten ihm, wie auf ein Kommando machte die ganze Versamm-
lung Front dahin und staunendes Gemurmel durchlief die
: Reihen. „Was is denn dös?" ertönte es von oben bis unten.
^ In der That war es für die guten Leute überraschend, die
! Statue, die Zierde ihres Marktplatzes, mit Stiefeln, Kleidern
und Wäsche behängt zu sehen, noch dazu warf gerade die Sonne
ihre jungen Strahlen auf die alten Kleider und stellte so diesen
Frevel in das grellste Licht.
Da trat ein Mann aus der Mitte hervor und ging mit
gravitätischem Schritte, den Stock fest in der Hand, auf das
Jnjurium los. Er war mit diesem Stocke der Repräsentant der
löblichen Ortspolizei; auf seinem Gesichte malte sich das Be-
wußtsein seiner Wichtigkeit und zugleich das Vergnügen über
den interessanten Fall. Das Publikum gruppirte sich zurück-

haltend in neugieriger Erwartung. Bei dem Geländer ange-
kommen, fuhr der Polizeimann erschrocken um einen Schritt zu-
rück und wäre beinahe über einen Stein rückwärts gestolpert,
denn Plötzlich kam über das Geländer ein Kopf zum Vorschein,
dann ein Paar Hände, die sich die Augen rieben, und unser
Freund Müller stand kerzengerade vor seinem Publikum, welches
seinerseits anfing, Vergnügen an dieser Scene zu finden.
„Was soll das heißen? Wer ist man?" inquirirte der
Polizeidiener mit energischer Stimme.
„Ich bin ein Reisender, wie Sie sehen, der hier über-
nachtete und von der ausgehenden Sonne überrascht wurde," so
lautete Müller's Antwort, während er sich beeilte, seine Kleidungs-
stücke von den Figuren herabzunehmen.
„Sie sind arretirt, kommen S' mit mir auf's Gericht!"
befahl der Polizeimann.
Nun wollte Müller seine Stiefeln anzichen, die über Nacht
zum Trocknen ausgehängt waren, da machte sich eine neue
Schwierigkeit geltend. Das von Nässe angesaugte Leder zeigte
sich' so widerstrebend, daß alle Anstrengungen fruchtlos waren,
den Fuß in sein Gehäuse zu bringen, und der Künstler stand
nun da, mit einem Socken und einem halb angezwengten Stiefel,
in dem der Fuß weder vorwärts noch rückwärts wollte, während
ein schallendes Gelächter der Umstehenden Müller's eitles Be-
mühen begleitete. Der Polizeimann in seiner Arretirungswuth
trieb zur Eile und half deßhalb sogar dem Schauspieler die
Stiefel anziehen, indem er dessen Knie an seine Brust stemmend,
die beiden Strupfen faßte und mit aller Kraftanstrengung be-
müht war, den Fuß hinein zu bringen.
Doch alles umsonst, die Strupfen rissen ab und die Be-
hörde stand nun da, in jeder Hand einen derselben haltend.

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