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162

Der Korb.

Schlag' Er sich's aus dem Sinn,
Ich nehm' Ihn nicht, Herr Vetter!
Die kleinen Kinder wiegen,
Das ist ein schlecht Vergnügen.
Ich wünsch' Ihm gutes Wetter
Zur Weiterreise hin.
Mir weiß ich bess're Wochen
Als Thee und Milchbrei kochen, —
Schlag' Er sich's aus dem Sinn,
Ich nehm Ihn nicht, Herr Vetter!
M. KaUicck.
Wohnungsnot!).
(Fortsetzung.)
Die Vorstellung war diesen Abend ziemlich gut besucht,
es kamen auf jeden Theil 50 kr. bayerisch Geld; Müller spen-
dirte sich daher ein gutes Nachtessen und ging nach demselben
sogleich nach Hanse, um seinem gastfreundlichen Wirthe am ersten
Tage den soliden Mann zu zeigen; als er in das Haus-
thor trat, öffnete der alte Hauptmann seine ebenerdige Woh-
nnngsthür und lud ihn ein, noch ein Glas Wein mit ihm zu
trinken. Etwas kaltes Essen, einige gute Cigarren wurden auch
angeboten — die alte Frau war schon schlafen gegangen — und
nachdem sich Beide einige Zeit lang gütlich gethan und recht
munter unterhalten hatten, nahm Müller sein Licht, der alte
Hanptmann begleitete ihn noch bis zur Stiege und sah ihm nach
mit freundlichem „gute Nachtwinken", bis er im ersten Stock
mit dem Lichte in seiner Wohnnngsthüre verschwand. Müller
ging stolz durch die ersten drei Zimmer und fand im vierten
sein Bett prächtig hcrgerichtet; kaum niedergclcgt, schlief er ein
und erwachte erst als die Sonne schon hoch am Himmel
stand. Eben im Anziehen begriffen, hörte er ein Klopfen
an der Thür des ersten Zimmers; er hatte alle andern Thürcn
angclweit offen gelassen, und so schrie er: „herein!" Er hörte
aber nicht, daß Jemand öffnete, und machte deshalb einen
Schritt vor, um durch die Zimmer hinaus zu sehen. Einen
Augenblick nur sah er einen Kopf in der kaum geöffneten Ein-
gangsthür stecken und sogleich wieder verschwinden, worauf die
Thüre eiligst zngcschlagen wurde. Der Kopf schien ein weib-
licher zu fein; vorsichtig schlich er schnell ans den Zehen zur
Thüre und sah durch das Schlüsselloch hinaus, — ein glotzendes
Auge starrte ihm durch dasselbe entgegen, und er hörte den
üblichen Schreckensruf „Jesus Maria Josef!" Er öffnete
schnell die Thür und stand min einer jungen Magd gegenüber,
die von überflüssiger Gesundheit strotzte, auf deren kugelrunde,
rothe Backen nicht einmal der Schreck ein wenig Blässe erzeugen ,
konnte, die den Mund so weit als möglich anfspcrrtc und
die Hände mit allen Fingern ausgespreitzt ihm steif entgegen-
streckte; so stand sie vor ihm, wie eine große, mit Sägspänen
ausgcstopftc Puppe. Müller konnte sich des Lachens nicht
enthalten, während sie ihn so sprachlos nnstarrte, und er fragte
sie endlich, was sie eigentlich wünsche? — Keine Antwort. —
Die Figur stand unbeweglich. — „Wer sind Sie denn?" Die

W ohn ungsnoth.


Figur athmcte langsam ans und brachte endlich mit einem tiefen
Seufzer heraus: „No, die Lisel bin ich."
„Richtig, die Lisel!" entgegnete Müller, „das hätt' ich
mir doch gleich denken können; aber was sind Sie denn sonst
noch außer der Lisel?"
Sie betrachtete ihn jetzt mit etwas ruhigerer Bewunderung
und sagte: „'s is sonst keine da, als ich."
„Sic sind also wohl die alleinige Magd im Hanse? und
warum kamen Sie denn zu mir?"
Lisel entgegnete: „Weil die Frau g'sagt hat, ich soll
Ihnen fragen, ob S' das Frühstück herauf haben wollen, oder
ob S' hinunter kommen?"
Sehr überrascht von dieser Aufmerksamkeit dankte Müller
srenndlichst und sagte: „Ich werde so frei sein, hinunter zu
kommen. Aber warum erschraken Sie denn so vor mir?"
Lisel wurde sehr verlegen, schlug verschämt die Augen nieder
und ihr Gesicht sah ans, als wäre es mit Zinnober auf eine
Trommel gemalt. Es war schwer, ans ihr ein Wort herans-
zubringcn, und Müller ahnte, daß irgend ein besonderer Beweg-
grund ihn der stupiden Magd als ein unheimliches Wesen erscheinen
ließ. Nach vielen freundlichen Worten gewann sie endlich Mnth,
ihm zu gestehen, daß sie in großer Besorgnis; und Angst zu ihm
herauf kam, ja, daß sie sogar fürchtete, ihn vielleicht todt zu finden.
„Was fällt Ihnen ein?" entgegnete Müller, „bin ich denn
in einer Mördergrube?"
Lisel sich scheu nmsehcnd, stieß ein ängstliches: „no freilich!"
heraus. Das war selbst nnserin leichtlebigen Müller etwas zu
viel, und er konnte sich eines kleinen Schreckens nicht erwehren.
Wohl hatte er gegen jeden Raubmord das Sicherhcitsgefühl des
Nichtsbesitzers, — aber hat es nicht auch schon Mörder ans
Passion gegeben? Ungeduldig packle er sie mit beiden Händen
an ihren fleischigen Schultern und rief: „Was? Mörder! Wer?"
Dabei versuchte er sie zu schütteln; sie stand aber wie ein
Thürpfosten, und alle seine zehn Finger waren keines Eindruckes !
fähig. Schüchtern und gchcimthuend flüsterte sic: „No, der Tischler!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Wohnungsnoth"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

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Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Spitzer, Emanuel
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 59.1873, Nr. 1479, S. 162
 
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