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h an dl un gen, sowie von allen Postämtern und
Zeitungsexpeditionen angenommen.

Erscheinen wöchentl. ein Mal. Subscriplions-

LIX. Bd.

preis für den Band von 26 Numm. 3 fl. 54 kr.
od. 2 Rthlr. 5 Sgr. Einzelne Nummern 9 kr. od. 2^ Sgr.

Wohnungsnot h.
(Fortsetzung.)

Der Landrichter lächelte still für sich, die Andern wußten
nicht, was sie antworten sollten, nur der Braumeister gab sich
nicht so leicht zufrieden, er entgegnete etwas herausfordernd:
„Die fremde Familie, die zuletzt dort gewohnt hat, hielt es
aber auch nur einige Tage aus, und das waren sehr anstän-
dige Leute!" Die letzten Worte betonte er besonders. —
Müller, den ihm geltenden Stich empfindend, entgegnete:
„Der Anstand hat damit gar nichts zu thun; wenn wir es
erst so weit gebracht hätten, daß der Aberglaube unanständig
wäre, dann Hütten wir für die Aufklärung mehr gewonnen, als
uns die Wissenschaft jemals erringen wird; doch leider ist in
diesen! Punkte die vornehme Welt nicht stolz; — sie theilt
gerne den Aberglauben mit dem gemeinen Volke."
Der Braumeister wurde immer hitziger und sagte in ge-
reiztem Tone: „Es gibt einmal übernatürliche Erscheinungen,
die mir der erste beste junge Mensch nicht wegdispntiren wird,
und ich bleib' bei meinem Glauben."
„Sie sollen Recht haben", erwiderte Müller, „nur eine
Frage erlauben Sie mir: Ihr Bier ist ein sehr gutes und wird
allgemein anerkannt- Nun heißt es aber, Ihre Gesellen müssen
beim Gebräu heilige Lieder singen, damit es gut wird; ich
glaube aber, am guten Bier ist mehr die Geschicklichkeit und
Ehrlichkeit des Bräuers Schuld; — wer hat nun Recht, der
Aberglaube oder ich?" —
Durch diese Wendung in die heiterste Stimmung ver-
setzt, forderten Alle scherzend den streng gläubigen Bräucr
nun selbst auf, diese neue Bierfrage zu entscheiden, und in
solchen Fragen muß man in Bayern Farbe bekennen.
Der Bräucr, der seinem Bierstolze nichts vergeben wollte,
Nutzte sich schnell zu helfen und sagte selbstzufrieden lächelnd:
„No — es gehört halt Alles so zusammen." Alle waren nun
zufrieden, daß der drohende Konflikt beseitigt und das Gespräch

wieder in das gewohnte Biergeleise gebracht war. Als Müller
endlich seine Zeche bezahlen wollte, bedeutete ihm die Wirthin,
daß er nichts zu zahlen habe, und der Landrichter sagte freund-
lich: „wenn ich da bin, sind Sie mein Gast."
Sogleich schrie der Braumeister der Wirthin zu: „Und
's tägliche Mittagessen für Herrn Müller schreiben S' mir auf!"
Müller bedankte und empfahl sich kurz. — Es war eine
warme Nacht, die ihn draußen empfing, der mondhell erleuchtete
Platz war menschenleer und deßhalb wohlthucnd für ihn, der
eben jetzt dem Petroleum beleuchteten, dunstigen Kreise aufgeblähter
Bierphilister entfloh. So angenehm ihm das freundliche Ent-
gegenkommen des Landrichters war, so widerte ihn die unzarte
aufdringliche Gastfreundschaft des Braumeisters an, und er
empfand es bitter, daß der Stand, dem er sich mit strebsamem
Eifer widmete, in seinen herumzichcnden Gesellschaften, die damals
allein die Schule waren, so mißachtet war. Mit solchen Ge-
danken kam er zur verhängnißvollen Drcifaltigkeitssäule, bei
welcher ihn die Noth in eine so tragikomische Situation gebracht;
er eilte schnell an ihr vorüber, denn jetzt war er nicht in der
humoristischen Laune, sich mit Vergnügen daran zu erinnern.
In solcher Stimmung kam er nach Hause; der hellste Mond-
schein beleuchtete die Treppe, ebenso die Zimmer, durch welche
er einsam dahinschritt. Da erschrak er Plötzlich an einer Gestalt,
die in magischer Beleuchtung vor ihm erschien, und unwill-
kürlich blieben seine Füße wie festgewurzelt am Boden, sein
starrer Blick auf die Gestalt gerichtet, die unheimlich, bewegungs-
los ihm entgegensah. — Das bleiche Gesicht mit aufstrebenden
Haaren und stieren Augen, — wie eine wandelnde Leiche stand es
vor ihm! — Das Gespenst des unglücklichen Tischlers, der
seine Kinder und sich ermordete, schien Plötzlich vor ihm zu
stehen, es war ihm nicht möglich, seinen Blick davon zu wenden,
seine aufgeregte Phantasie hatte den Geist gefesselt, und sein

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