Fliegende Blätter (59.1873 (Nr. 1459-1484))

c,., Bestellungen werden in allen Buch- uno Kunst- ^ M Erscheinen wöchentl. ein Mal. Subscriptious-
Han dl ung en, sowie von allen P ostänitern und Preis für den Band von 26Nmum. 3 fl.54kr.
Zeitungsexpeditionen angenommen. od. 2 Rthlr. 5 Sgr. Einzelne Nummern 9 kr. od. ll'/g Sgr.

Doch du bist zu ganzen Tagen
Oft ein wahrer Plagegeist,
Winselst nnzufried'ne Klagen,
Wenn du gleich von Schmerz nichts weißt.
Dafür bist du auch ein Knabe;
Männer sind — man weiß es ja —
Von der Wiege bis zum Grabe
Doch nur uns zur Plage da!
F. Juncke.

Wohnungsnoth.
(Fortsetzung.)
Der ungeheure Lärm hatte doch die Schläfer im Hause ge-
weckt und es traten aus der rückwärts gelegenen Thüre eine alte
Frau mit einem verschlafenen Dienstmädchen, jede ein Licht in der
Hand, furchtsam hervor; zugleich kam aber auch der Nachtwächter
nach, welcher Müller beim Kragen Packte und sofort au die Frau
sich tröstend wendete: „Fürchten Sie nichts, Frau Heller, er
ist kein Dieb, er hat nur einen Rausch, — gehen S' schlafen!"
Müller trat der alten Dame näher, die ängstlich einen
Schritt znrückwich. „Glauben Sie dem dummen Menschen
nicht," rief er ihr zu, „kommen Sie schnell mit mir, es handelt
sich um Ihre Nichte!"
„Meine Nichte?" fragte verwundert die alle Frau, „was
soll das heißen? die schläft ja in ihrem Zimmer."
„Nein," entgegnete Müller, „sie ist nicht dort, sie ist bei mir!"
„Um Gottes Willen!" rief die Frau vor Schrecken
zitternd, „sie wird doch nicht — ?!"
„Fragen Sic nicht lang," drängte Müller, „eilen Sie
schnell!" und dem Dienstmädchen einen Wink gebend, rief er

Wiegenlied.

Ruhe sanft, du lieber Knabe!
Jetzt ist deine beste Zeit;
In der Wiege und im Grabe
Weiß man nichts vom Erdcnleid.
Du kennst weder Gram noch Sorgen,
Ruh'st in deinem Bettchen weich;
Nahrung wird dir alle Morgen,
Und das macht dich mehr als reich.

L»