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Wohnungsno th.
(Fortsetzung.)

Als er diesen lnngen Brief beendigt hatte, war cs Tag
geworden; man rief ihn zum Frühstück, und bei dieser Gelegen-
heit sprach er viel und lang mit dem alten Hauptmann, dessen
derbe Offenherzigkeit sein Vertrauen gewonnen hatte. Er klärte
ihn auf über seine Verhältnisse und nannte ihm auch seinen
wirklichen Namen, bat ihn aber, alles dieses für sich zu behalten.
Dann ging er zu seinem Thcaterdircktor.
Er eröfsnete ihm, daß er nie mehr Comödie spiele und
verabschiedete sich von ihm und seiner Truppe. Dort hatte
er aber noch einen harten Strauß zu bestehen; denn seine
Geschichte mit denn interessanten, nächtlichen Besuch war durch
die Bückerbnrschen bei Gelegenheit des Einkaufs der Frühstück-
semmeln schon überall bekannt. Man kann sich denken,
daß es ohne Sticheleien und triviale Witze nicht abging, und
Müller hatte daher einen Grund mehr, diese Gesellschaft zu
fliehen. Er war froh, als er wieder zu Hause war und traute
sich kaum mehr ans die Straße.
Als aber der Hanptmann zu der Frau Nachbarin schickte,
um sich über das Befinden des Fräuleins zu erkundigen, und
erfuhr, daß sie ernstlich erkrankt sei, da hielt es Müller nicht
länger, und er eilte zum Doktor. Freilich wäre er lieber
direkt zu der Tante gegangen, allein er vermied jede An-
näherung, so lange er nicht Nachricht von seiner Mutter
hatte. Der Doktor machte ein bedenkliches Gesicht, als Müller
zu ihm kam und erklärte ihm, daß das Fräulein sehr bedenk-
lich krank sei. Da kamen für Müller schwere Tage des
Kummers. Täglich holte er Erkundigung ein, und noch schmerz-
licher war es ihm, als er vom Doktor erfuhr, daß sie in
der Fieberhitze seinen Namen nenne, daß er aber in keinem
Falle jetzt zu ihr gehen dürfe, weil jede Aufregung von ihr
fern gehalten werden müßte.

Müller wartete lange auf Antwort vom Hanse; denn damals
gab es noch keine Eisenbahn dorthin. Nach acht Tagen endlich
kam ein Brief, beschwert mit zweihundert Gulden. Er riß un-
geduldig die Siegel auseinander, — es war die Hand seiner
guten Mutter!
Das Schreiben war so liebevoll, — kaum daß die gute Frau
es zu einigen sanften Vorwürfen brachte; Müller weinte wie
ein Kind, küßte die liebevollen Zeilen und konnte sie vor
Thränen kaum lesen. — O, gewiß fühlte die gute Mutter in
demselben Augenblicke die Thränen ihres zwar leichtsinnigen,
aber doch guten Sohnes; denn sie rechnete ja die Stunden
ans, wann der Brief in seinen Händen sein könnte, und alle
Comptoiristen ihres Mannes mußten ihr dazu die genaueste
Auskunft geben.
Sie schrieb ihm, daß sie Alles nach seinem Willen arran-
girt habe, daß sie auch den Vater so weit besänftigte, daß er
sogar versprach, bei seinem Geschäftsfreunde Betozzi in Nürnberg
seinen Wunsch in Anregung zu bringen. Am Schluffe des
Briefes schrieb sie: „Ich gehe Deinem Vater nicht vom Halse, bis
er Dir auch ein Paar Zeilen darunter schreibt." Und wirklich
standen vom Vater eigenhändig folgende Worte: „Weil Deine
Mutter mir nicht früher vom Halse geht, jo verzeihe ich Dir,
Du Schlingel, wenn Du von nun an ein ordentlicher
Mensch wirst!"
Müller war glücklich über diesen Brief; selbst die strengen
und doch gutmüthigen Worte seines Vaters entlockten ihm den
Ausruf: Ja, ja, der Alte hat nicht ganz Unrecht! Ich halte
einen ganz geebneten Weg zu meinem Glücke, und ich ließ ihn
leichtsinnig bei Seite und wählte gerade den holprigsten! Wohl
denen, die nur stolpern darauf, aber wehe denen, die fallen, —
sie finden Niemand, der ihnen anfhilft.
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