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1-16

Eine Virtuo sin.

verwunderten sich dabei, daß eine Frau einen solchen Mann
ertragen könne. Die weiblichen Zungen der Gesellschaft droschen
tüchtig auf Hulda los und verwunderten sich darüber, daß einem
Manne an der Seite einer solchen Frau das Leben nicht ver-
leidet würde. Diese Verwunderung äußerten besonders die Mütter,
die es trotz aller Bemühungen nicht zu einem Schwiegersohn ge-
bracht hatten nnd die in ihrer verbitterten Schwiegermutterlosigkeit
kein Ehepaar sehen konnten, ohne auf dasselbe eine erkleckliche
Dosis Gift und Galle zu schütten. Ihre Töchter, die schon vor
zwanzig Jahren das Vestafcuer nur mit Widerwillen gehütet,
und jetzt einsahen, daß sie zur ewigen Hütung desselben ver-
urtheilt waren, richteten womöglich mit noch schärfer gewetzten
und zugespitzten Zungen.

Indessen nahmen die Dinge in der Grünspecht-Bretzelius-
schen Wirthschaft eine unangenehme Wendung. Das Verhältnis;
zwischen dem Ehepaar fing an sich zu trüben, um niemals wieder
heiter zu werden.

Wie Grünspecht sich selbst, hatte er auch seine Ehehälfte
| zum Genie herangelogen, und es gab Augenblicke, in denen er
an die Aufrichtigkeit seines Posaunengeschmetters glaubte. Das
beständige Zusammenleben mit Hulda zeigte ihm jedoch allmälig,
daß er mit dem Publikum sich selbst betrogen und daß er jetzt
dafür hart bestraft wurde. Er litt an Violinübersättigung.
Das Ehejoch drückte ihn um so schwerer, als Hulda mit jedem
Tage ihre Ansprüche mehr emporschraubte und sich dabei bitter
beklagte, daß er ihr nicht genug Anerkennung bekundete. Auch
äußerte sie mehr oder minder unverhohlen, daß sie seine Be-
geisterung für seine poetischen Hervorbringungen durchaus nicht
theile. Und als er ihr eines Tages bemerkte, daß sie ihm Alles

zu verdanken habe und daß ohne seine Posaunenstöße ihr
j Name in deutschen Gauen niemals würde gehört worden sein,
I antwortete sie, daß ohne ihre Violine sich Niemand durch seine

Posaunen hätte betäuben lassen, und sie habe ihm Alles geopfert,
selbst ihre arme gute Mutter, die sie ihm zu Liebe mit zer-
fleischtem Herzen von sich gestoßen.

»Dieses Zankduett wiederholte sich nun jeden Tag und
wurde bald nur durch die Abwesenheit eines der Duettisten, oder
in Gegenwart von Besuchern unterbrochen. Wenn nämlich das
Ehepaar einen Besuch hatte, so zeigte dasselbe wie ehemals die
größte Zärtlichkeit für einander, besonders war dann Hulda gegen
ihren Gatten die Aufmerksamkeil selbst. Ihre süßen Worte
verbargen jedoch einen bittern Kern, den ihr Gatte hinuntcr-
schlucken mußte, ohne eine Miene zu verziehen. Sie ließ es
auch nicht an sonstigen kleinen Bosheiten fehlen. Wenn sie
scherzend seine Hand zu berühren schien, kneifte sie dieselbe so
stark, daß er vor Schmerz hätte aufschreicn mögen. Nicht selten
faßte sie vor den Gästen seinen Arm und spielte ein solches Pizzi-
Jato darauf, daß er fürchtete, sie würde ihm die Muskeln zerreißen.

Dieses Martyrium ward ihm am Ende unerträglich und
er sann beständig auf Mittel, wieder die Freiheit zu erlangen,
die er am Traualtar verloren. Er wollte aber, wenn es zu
einem Eclat käme, die öffentliche Meinung für sich haben und
deßhalb wünschte er, daß seine Gattin durch die Flucht, mit der
sie ihm einigemale gedroht, ihn von dem schweren Joche erlöse.
Hulda, die eine gute Schule durchgcmacht hatte, merkte seine
Absicht, und gerade in dem Augenblicke, wo er einen heftigen,
entscheidenden Auftritt herbeiführen und sie zu der von ihm
heiß ersehnten Ausfiihrung ihrer Drohung bestimmen wollte,
schien sie gegen ihn so sanft und liebenswürdig wie in den
Tagen, als er begann, ihren Ruhm iu die Welt zu dröhnen.

Nachdem er unzählige Mittel zur Erreichung seines Zweckes
vergebens erschöpft hatte, glaubte er ein unfehlbares gefunden
zu haben. Er wußte, daß seine Gattin täglich in seinen Pa-
pieren hcrumstöberte und die Briefe las, die sich auf seinem
Schreibpulte fanden. Er entwarf daher folgendes Fragment,
das er auf dem Pulte liegen ließ:

„Theuerste Julia!

Ich habe leider auf das Gliick verzichten müssen, Dich
bei * * * (undeutlich geschrieben) zu sehen, eine Stunde in
Deiner beseeligenden Nähe zu verbringen und die unausstehlichen
Qualen zu vergessen, durch die mir die Megäre das Leben
unerträglich macht. Wan», o wann werde ich wieder frei
athmcn können? Wann werde ich vor der Welt offen sagen
können, was Du mir bist, was ich Dir bin? O meine au-

gebetetc Julia-— — "

Als er gegen Abend nach Hause kam, >var das Blatt
verschwunden und er freute sich schon im Voraus auf die fürchter-
liche Scene, die ihm Hulda, von Eifersucht aufgcstachelt, bereiten
und daß sie ihre Flucht endlich beschließen würde. Wie sehr aber
hatte er sich getäuscht! Sic sprach beim Abcndbrod von den gleich-
gültigsten Dingen und schien sogar ungewöhnlich heiter. Als
sich dann einige Besuche einstellten, wußte sie das Gespräch auf
die Bedeutung der Namen zu lenken und behauptete, daß ihr der
Name Hulda trotz seines Wohlklanges niemals gefallen und daß
sie ihm jeden andern vorzöge. Der Name Julia, sagte sie, ohne
ihren Gatten anzusehen, würde ihr am meisten gefallen.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine Virtuosin"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

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Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Klavier <Motiv>
Streit <Motiv>
Ehepaar <Motiv>
Ärger <Motiv>
Karikatur
Ehekonflikt <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1555, S. 146
 
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