Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ein Abenteuer im Postwagen.

(Schluß.)

Adelgunde lächelte selbstgefällig und sagte: „Sie sind
wirklich sehr gütig, Herr Doktor, aber meine Mutter war ja eine
lleborenc von Plampona und mein Vater Zahnitätsarzt in
Win, so daß cs am Ende kein Wunder ist, daß ich Manches
Qclernt habe und mehr weiß, als andere junge Mädchen meines
llters. — Jntcrcsiircn Sic sich auch für Dichterei, Herr
Doktor?"

„O natürlich, ich dichte selber", antwortete dieser, während
oclgnndc ihre beiden Bücher von der sic umhüllenden „Ro-
>'°ckcr Zeitung" befreite.

»Ach das ist ja entzückend von Ihnen, bester Herr Doktor,

ich icjc |-c^r öjc[ unj, hghx mir hrnte wieder die neuesten
Acheiniingen des Büchermarkts gekauft: „den Lahrcr hinkenden
ote» nici» Lieblingsschriftsteller nächst Goethe, und — sehen
U' hier — ein reizendes Buch von einem ganz neuen Dichter,
~.'c ]11>r der Buchhändler sagte „Kornähren der Poesie von
)crs." Ich hgge cs im Laden beinahe schon ganz durchgelcsen;

Horen Sic diesen reizenden Schluß des zweiten Gedichtes:

„Wer nicht liebt, der kennt das Leben
Wonnevoller Freuden nicht."

^chicibt Ihnen der Dichter nicht auch ganz aus der Seele?"
m »Die Worte sind so wahr und schön," meinte Herr von
"lcnstädt, „daß ich dieselben dem Dichter hätte in die Feder
c lrcii können; die Liebe ist das halbe Lebe», das ist eine
"unistößliche Wahrheit."

Adelgunde von Bicbcrhanscn seufzte tief und sagte: „Aus
für^" ^rten erkennt man wieder, daß die Empfänglichkeit
T das Höhere den Männern nicht in dem Maße eigen ist,
^,lc uns Mädchenscelcn. Das halbe Leben, sagen Sie, sei
1C L'ebe? — Nein, Herr Doktor, die Liebe ist für uns das

ganze Leben. Ach Gott, wie empfindungslos sind doch die
Männerherzen!" —

Hier entstand eine Pause in der so regen Unterhaltung
und während Adelgundens umhüllter Alabastcrbuscn sich hob
und senkte, klapperte der Postwagen die einförmige Chaussee ent-
lang und, mit stereotypem Schwcinczüchtcrgcsicht in die Welt
schauend, hieb der Postillon mit seiner Peitsche immer unbarmherziger
auf die hinkenden Braunen ein. Der jugendliche Doktor schien einen
Kriegsrath mit sich selbst abzuhalten und drehte abwechselnd
seinen unecht aussehenden Siegelring und die vereinzelten Bart-
härchen an der Oberlippe. Dan» und wann rieb er sich auch mit
dem linken Fuße die, ihn allem Anscheine nach juckende Wade
des rechten Beines. — Die Haltstation Kritzkow war bereits
passirt, ohne daß Jemand die Zahl der Insassen des Postwagens
vermehrt hätte, als vr. v. Ballenstädt der Kunstpause ein Ende
! machte, mit den Worten:

„Mein gnädiges Fräulein, Sie nannten uns Männer vor-
hin hartherzig und empfindungslos. Daß gerade Sie dieses
sagen, wundert mich; denn einer solch' liebenswürdige», schönen
und reichen jungen Dame, wie Sie es sind, gegenüber, kann I
sich doch ein Mann unmöglich gefühllos verhalten haben?" —
Adelgunde seufzte zum dritten Male, schlug mit erstaun-
licher Fertigkeit verschämt die Augen zu Boden, und zupfte
j an ihrem verblichenen meergrünseidenen Kleide, umschlang kramp-
! hast den Miniaturpudcl und hauchte:

„Ich habe kein bedeutendes Vermögen, mein Herr, und
ein liebendes, glühend liebendes Herz, verbunden mit dem
Adel einer poetisch gestimmten Seele, ist mein Alles, was ich
auf dem vrbi8 piotus ferrarum besitze. Ach, wenn Sie wüßten, wie
sehr ich Schweden liebe, wie gern ich frohen Herzens dem Manne

22

Bestellungen werden in allen Buch-und Kunst- Erscheinen wöchentlich ein Mal. Preis des Bandes

23. Handlungen, sowie von allen Postämtern und (26 Nummern) 6 Mark 70 Pf., cxcl. Porto bciDd.LXII,

__ Zeitungsexpeditionen angenommen. _ directcm Bezüge. Einzelne Nummern 30 Pfennige.
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen