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Für das Photographie-Album.

Ja, aber fremdes. Nun, ich werde schon dazu gelangen,
mir auch etwas zu verdienen."

„Mit Fleiß und gutem Willen —"

„An denen soll's bei mir nicht fehlen."

Der Kassirer nickte und schob seinem Untergebenen einige
Geldrollen zum Zahlen hin.

Des Abends, als die Kasse geschlossen wurde, pichte der
Kassirer seine Brille und sah sodann zum Fenster hinaus. „Das
schöne Wetter hat sich gehalten", sagte er. „Ich habe meiner
Frau und meinen zwei Buben einen langen Spaziergang ver-
sprochen. Wollen Sie mit uns kommen, Herr Schmidt?"

Der junge Manu war augenscheinlich über diese Aufforder-
ung hocherfreut.

„Dann wird es gut sein, möglichst rasch uns aufzumachen",
fuhr der Kassirer fort. „Aber — wie stcht's denn mit Ihrer
Toilette für den Sonntag?"

„Nun, ich denke —"

„Schwarzer Frack, weiße Cravatte und Handschuhe",
unterbrach ihn jener. „Herr Findius geht selbst nie anders zu
Tisch, wenn er Gäste bei sich hat."

„Mein Frack ist noch so gut wie neu," antwortete Schmidt.

„Sehr wohl junger Mann; ich habe meine Schuldigkeit
gethan." — Damit schloß er die Thüre ab. — — —

Das Wohnhaus des Herrn Findius lag vor der Stadt
und war ein stattliches Gebäude mit Stallungen und großem
Garten. Die wenigen Personen der Familie — Vater, Mutter
und Tochter, der Sohn vollendete seine Erziehung auswärts —
konnten mit aller Bequemlichkeit jede für sich hausen, und deßhalb
wurde das gute Familienleben im Hause des Herrn Findius
allseitig gerühmt. Während der Mahlzeiten hielt man auf das
einträchtigste zusammen aus, und es war dies nicht schwer, da
vortrcsslichc Speisen und Getränke die Gemüther mild zu stimmen
pflegen. In der mildesten Stimmung befand sich der junge
Schmidt, der am nächsten Sonntag neben der Tochter des Hauses
seinen Platz gehabt hatte und seiner Ansicht nach von ihr sehr
bevorzugt worden war. Die Champagnergläser waren geleert,
man erhob sich und drückte einander die Hand, um sich gegen-
seitig für die gcthane Arbeit und aufgewendetc Mühe Glück zu
| wünschen. Während die anderen Gäste theils von dem Haus-
herrn über einige große Delgemäldc unterrichtet wurden, die an
I den Wänden hingen, theils das Boudoir der Gattin bewunderten,

> das eben in neuer Pracht erstanden war, folgte Schmidt der
Aufforderung des gnädigen Fräuleins und trat mit ihr in die
breite Veranda hinaus, welche den Uebergang in den großen
wohlgcpflegtcn Garten bildete.

Fräulein Selma mochte etwa 21 Lebensjahre vollendet !
haben; ihre Gesichtszüge hatten unverkennbare Aehnlichkeit mit
denen des Vaters; sic trug eine reiche Fülle braunen Haares
mit der vollständigen Sicherheit, als wenn es ihr eigenes wäre,
und besaß jenes unerschütterliche Sclbstbewußtscin in ihrem
Benehmen, das für sehr vornehm gilt. Sie mußte folglich dem
jungen Schmidt in außerordentlicher Weise imponircn.

Wie sehr fühlte er sich geschmeichelt, daß er allein neben

mit ihr den Sonnenschein und die warme Sommerluft genießen
durfte! Er war vollständig der nüchternen Alltagswelt entrückt,
die Rechcnexempel, die bisher sein Denken ausgcfüllt, waren
verlöscht, sein Auge begann in der Ferne nebelhafte Bilder eines
unerhörten Glücks zu schauen. Fräulein Selma blickte ihn manch-
mal an und lächelte; und immer höhere Begeisterung erfüllte
ihn; er sprach seine Bewunderung über alles aus, was ihm in
den Weg kam, über das bescheidene Geranium, von dem sic
eben erbarmungslos die letzte Blüthe knickte, wie über die Marmor-
tischchen mit vergoldeten Füßen, die an den Seiten standen.

Selma nahm ein großes Album von einem derselben und
blätterte darin. Daun reichte sie es ihm. „Betrachten Sie
sich diese Photographieen", sagte sie, „vielleicht finden Sie einen
Bekannten darunter."

Er suchte eine Weile in den zahlreichen Blättern umher
und wurde ein wenig beunruhigt, als er das Album nur mit
Porträts von jungen Männern mit wohlgepflcgtcm Barte und
Glacehandschuhen angefüllt sah.

»Ihre Freunde wohl, gnädiges Fräulein?" fragte er mit
gesenktem Blick. Er hielt eben eine Photographie aufgcschlagen,
die ein auffallend sein geschnittenes Gesicht zeigte.

Sic lächelte und lugte auf das Blatt hinüber, welches seine
stillen Hoffnungen mit einem Male etwas dämpfte.

„Ich erinnere mich noch des jungen Mannes", sprach sic
darauf; „er war ein sehr eifriger Sonntagsreiter und galoppirtc
oft an unserem Hanse vorbei." — Dann fügte sie gleichgültig
hinzu: „Ich glaube, er ist im Kriege todtgcschossen worden."

Schmidt athmete auf und drehte rasch das Blatt herum.
„Der hätte gefährlich werde» können", dachte er bei sich.

Selma nahm ihm das Album aus der Hand. „Es ist
das Eigenthum der Familie", sagte sie, cs behutsam hinlcgcnd,
„und wird auf das Sorgfältigste verwahrt. Nur zuweilen,
wenn wir eine» Herrn aus den, Geschäfte bei uns sehen, kommt
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Für das Photographie-Album"
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Fotoalbum
Verlieben
Missverständnis <Motiv>
Fotografie <Motiv>
Junger Mann <Motiv>
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Junge Frau <Motiv>
Veranda
Eitelkeit <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 63.1875, Nr. 1571, S. 66

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