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82

Herr u n d Diener.

Bon Ludwig Kiitisch.
(Fortsetzung.)

So kalt und hart auch die.Stimme des Notars war,
so schien es doch dem alten Diener, in derselben die Stimme
seines Herrn zu vernehmen, der aus dem Jenseits zu ihm in
warmer Dankbarkeit redete. Er kämpfte einige Secunden.
Plötzlich aber stieß er einen langen, tiefen Seufzer aus und
heiße Thränen fielen über seine gefurchten Wangen. Hierauf
schluchzte er so laut, daß der Notar iunc halten mußte, zum
großen Verdrusse der Anwesenden, die sich durch die bereits
erfahrenen Verfügungen des Erblassers in einer keineswegs heitern
Stimmung befanden.

„Das ist ein unanständiges Geheul!" rief der Registrator,
der Nachbar Ama's zur Linke».

„Basiliskenthränen!" meinte Trübich, sein Nachbar zur
Rechten.

„Man bringe den Domestiken zum Schweigen!" grollte
ein Dritter. Die Ucbrigcn gaben ihren Aerger durch Knurren
und Murren zu erkennen, indem sie auf Ama verächtliche Blicke
richteten.

„Muß ich noch hier bleiben?" fragte dieser den Notar.

„Nur noch ein paar Minuten!" antwortete Zwickhart und
fuhr dann fort:

— „und seiner gegen mich bewiesenen Anhänglichkeit.

Sein ersparter und mir anvertrauter Sold, den ich in
guten Staatspapieren angelegt und der sich nunmehr auf die
Summe von ungefähr siebzehntausend Gulden belauft, soll ihm
aus seinen Wunsch sogleich eingehändigt werden; doch würde
ich cs gern sehen, wenn er die Verwaltung dieses seines
Sparpfennigs meinem verehrten Freunde, dem Herrn Notarius
Di'. Gotthelf Zwickhart überließe, dessen umsichtiger Leitung
mein wackerer Diener empfohlen sein mag." —

Hier machte der Notar eine Pause und lvinktc Spitzner
zu, daß er sich nunmehr entfernen könne.

Mit drei riesigen Schritten erreichte dieser die Thürc und
verschwand. Noch niemals in seinem Leben hatte er eine solche
Eile gezeigt.

Der Notar las wiederum mehrere Paragraphen, in denen
allerlei wohlthätige und gemeinnützige Anstalten reichlich bedacht
waren. Jeder dieser Paragraphen gab den Anwesenden einen
Stich in's Herz. Endlich kam die Reihe an diese, und der
Registrator spitzte die Ohren, als der Notar begann:

„Dem Herrn Registrator Adrian Kneifer, der seit dem
Ableben meiner unvergeßlichen Freundin, des Fräuleins Euphrasia
von Schwanensee, sich mir als Verwandten und Freund' zu
erkennen gab, hinterlasse ich zum Andenken mein englisches
Fernrohr."

„Und das ist Alles?" rief der Registrator, als Zwickhart
zu einem andern Paragraphen überging. „Ein englisches Fern-
rohr? Ich bin kein Schiffskapitän. Ich brauche kein Fernrohr!"

„Bitte, mich nicht zu unterbrechen", sagte der Notar und
fuhr fort:

„Ich hintcrlasse dem Herrn Wagmeister Berthold Kump,
der in jüngster Zeit mir besondere Aufmerksamkeit erwiesen,

mein von dem berühmten Opticus Schleich mann verfertigtes
Wetterglas."

„Wetterglas?" murrte der betreffende Erbe. „Ich habe
drei Wettergläser. Er mag sich sein Wetterglas einsalzen!"

„Dem Herrn Leonhard Trübich" — fuhr der Notar fort —
„dem Herrn Leonhard Trübich vermache ich meinen mit dem
großen Jaspisknopf versehenen Spazierstock."

Ohne Unterbrechung begann der Notar einen andern Para-
graphen, welcher der Hoffnung eines andern der anwesenden
Erben schnell den Garaus machte.

Trübich saß wie zerschmettert. Es war ihm, als ob ihm
der Verblichene mit dem großen Jaspisknopf des vermachten
Stockes einen wuchtigen Hieb auf den Schädel versetzt hätte.

Er hörte nicht mehr auf die Stimme des Notars, sondern
stierte vor sich hin und zerrte unter dem Tisch mit krampfhaften
Fingern an den Handschuhen, die er einst so hoffnungsfreudig
mit finsterm Naß getränkt. Endlich ward er durch ein Geräusch
aus seinem düstern Hinbrüten geweckt. Zwickhart war mit dem
Verlesen des Vermächtnisses zu Ende und verließ mit einer

stillen Verbeugung den Saal. Die Erbgenossen, die sämmtlich
ihre Hoffnung zerstört sahen, erhoben sich wüthend von ihren

Sesseln, und da Jeder von ihnen fest überzeugt war, das

größte Anrecht auf eine ansehnliche Erbschaft zu haben, so
glaubte sich auch Jeder von ihnen auf's unverantwortlichste von
dem Erblasser verletzt. Sic schrieen und zeterten durcheinander
auf der Treppe; und selbst auf der Straße dachten sic nur
an das ihnen widerfahrene Unrecht und wußten sich so ivenig
zu fassen, daß sie die Aufmerksamkeit Aller auf sich lenkten.

Der Registrator Kneifer tobte am meisten. Ein kleines,
heißblütiges, leicht aufbrausendes Männchen, schrie er über den
Undank des Verstorbenen und behauptete, dieser habe seiner
spotten wollen. „Ich bin sein nächster Verwandter," rief er,
„ich bin sein Fleisch und Blut und er hinterläßt mir ein
nichtswürdiges Fernrohr!"

„Er hat keinen nähern Verwandten hinterlassen als mich",
seufzte ein Anderer, „und vermacht mir sieben Rasirmesscr, damit
ich mich jeden Tag mit einem andern rasiren kann. Den Hals
hätte er sich damit abschneiden sollen, der Geizhals!"

„Wie hätte der ein Herz für seine Verwandten haben
sollen, in dessen Herzen keine Spur von Gottesfurcht war?"
rief ein Dritter. „Wer hat ihn jemals in einer Kirche gesehen?
Ich sag' Ihnen, Herr Trübich", fuhr er zu diesem gewendet
fort, indem er dessen rechten Arm faßte und schüttelte, „ich
sag' Ihnen, der Verstorbene war ein Gottesleugner und von
einem Gottesleugner hat man Alles zu erwarten, nur nichts
Gutes."

„Das Testament muß angegriffen werden!" schrie ein
Vierter, der sich zur Linken Trübich's befand und an dessen
linken Arm zerrte.

„Ja, ja, die Sache muß vor die Gerichte kommen!"
schrieen Alle durcheinander, indem sic den Weg durch die

Fiedlergasse zurücklegten, in welcher sich Trübich's Wohnung befand.
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