Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kalendergeschichten.

42


arme Schelm denn verbrochen? Einen Rathsherrn hat er über den Haufen ge-
stochen. Es ist eine eigene Geschichte. Meister Gottfried, der Schreiner, hatte
ein hübsches Weib, das sür leichtfertig galt; vielleicht war etwas daran, doch
der dicke Rathsherr Günther gefiel der Susann« so wenig, als einst der bibli-
schen Susann« die zwei Aeltesten gefallen haben. Möglich aber, daß die Susel
hie und da mit dem alternden Minnebold ein wenig ihren Scherz getrieben, >vo
er Ernst machen wollte. Eines Tages wurde endlich der Rathsherr gar zu zu-
dringlich, das Weib schrie um.Hülse, der Mann kam dazu, hatte zum Unglück
etwas Spitziges in der Hand, und so war das Unglück fertig. Jetzt kostet's
dem Schreiner seinen Kops. Alle Welt hat Bedauern mit dem braven Hand-
werksmann und seinen unmündigen Kindern, doch die blinde Gerechtigkeit kennt
keine Rückficht, in ihrer Schale wiegt das Erbarmen keines Sandkornes schwer,
und wer Blut vergießt, deffen Blut muß fließen. Da liegt der Stab zerbrochen
am Boden, fort mit dem Mörder, fort zum Rabenstein. — Zur selben Frist

sprengten zwei Reiter in vollem Rennen aus der
Heerstraße vom herzoglichen Lustschloß gegen die Stadt
zu. Ter Dstwind trocknete die Lungen der Eilenden
aus, daß Roß und Mann schier den Arhem verloren.
Der auswirbelnde Staub gab den Lechzenden dieselbe
Erquickung, wie einer, welcher dem Hungernden Steine
sür Brvd bietet, nur mit dem Unterschied, daß der
Hungrige die Steine wenigstens nicht zu beißen braucht,
die Reiter aber den Staub wohl oder übel schlucken
mußten. Dennoch ließm fie fich nicht aushallen. Warum
die Eile? Brachten fie etwa die Begnadigung des armen
SünderS? Schier sah's danach aus, die Reiter waren
ein Jagdjunker des Herzogs und ein Reitknecht: doch
trog der Schein, denn der grüne Junker sühne kein
weißes Tuch zum Winken in der Tasche, sondern einen
Brief des hohen Henn an den Landjägermeister in
wichtigen Jagdangelegenheiren, auch hätte er zum
Begnadigen früher aufstehen müssen. Des Dieners
Roß stürzie, Junker Hanwig sprengte weiter, ohne
fich drum zu kümmern. Sagen konnte er ohnehin
nichts dazu, weil ihm die Zunge am Gaumen klebte.
Die Stadt war noch so weit, die Sonne brannte
immer heißer und am Wege winkle kein Wirthshaus.
Doch, etwas dergleichen war zu finden. Unfern des
RabensteinS stand eine armselige Schenke. Als Hartwig
die Stelle erreichte, war die Hinrichtung bereits seit
geraumer Weile vollzogen, Hane fich die Volksmenge

ziemlich verlausen. In der Schenke ging's bunt
und lustig zu, doch vor der Thüre saß nur ein
einziger Gast, ein junger Bursch gemeinen
Standes, neben sich auf der Bank den frisch-
gefüllten Krug. Hartwig zog die Zügel an.
Todesbleich trotz der Hitze, fiüsterte er kaum
vernehmbar: „Einen Trunk, sonst stürz' ich."
Das Wanken des blaffen Reiters schien die
Prophezeiung zur Stelle wahrmachen zu wollen.
So besann der Bursch sich nicht erst, sondern
reichte dem Verlechzken seinen Krug, und sprach
dazu: „Gesegn' es Gott." Hartwig trank, Lippe
und Nase im Schaum begraben, und ließ nicht
ab, bis der Krug leer war, worauf es ihm
erst noch vorkam, als hätt' er einen Tropfen
auf einem heißen Stein verdampfen lassen. Doch
fühlte er fich gestärkt und griff in die Tasche,
um den Labetrunk mit einem Trinkgeld zu ver-
gelten. Da öffnete ein Jägerbursch das Fenster
und ries hinaus: „Der Herr Graf Hartwig ist
nicht so stolz, wie ihn die Limite verschreien,
er trinkt sogar mit den, Schindersknecht." —
„Schindersknecht?" stammelte Hartwig, aus sei-
nen Wohlthäter deutend: „Der
da," bestätigte der Jäger
manns Knecht, der gefallenes
unter den Unehrlichen der
der Waidgeselle ausgeredct,
schon das Faustrohr aus der Halfter gerissen, den Hahn
gedrückt. Knall und Fall sank der Abdecker nieder, kunstgerecht

— „Der

Frei-

ab deckt,

Bevor

Junker

und lcs-

geschossen und maustodt. Recht war ihm geschehen; er hätte den Durstigen
lieber sollen vom Roß stürzen lassen, als mit unehrlicher Hand ihn erquicken.
Die Schmach, welche er so fteventlich dem Junker zugefügr, war mit dem
Verlust deS Lebens noch viel zu milde gebüßt. Hartwig ritt unangefochten
seines Weges, und wenn er später zur Rechenschaft gezogen ward, so ge-
schah's nur darum, um ihm ausdrücklich Recht zu geben. Ter Junker sollte
und mußte den Freiknecht erschießen, der aus Menschenliebe nur fich übereilt;
dock daß der Bürger den Rathsherrn umgcbracht, der ihn böswillig ent-
ehren wollte, das heischte unnachfichtlich strenge Strafe.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Kalendergeschichten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Reiter <Motiv>
Hinrichtung <Motiv>
Schießen
Graf
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Schinderknecht <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 7.1848, Nr. 150, S. 42
 
Annotationen